Lehrangebote früherer Semester
Sommersemester 2018
VL: Geschichte der Schelmenliteratur und der Verwandlungen I
Mi 8-10
Elias Canetti hat den „Dichte als Hüter der Verwandlungen“ bezeichnet und damit in mehrfacher Hinsicht sowohl die Funktion der Künstler als auch die Möglichkeiten der Literatur angesprochen. Verwandlung, Grenzverletzung und Entgrenzung stellen dabei so etwas die Probestücke dar, in denen Menschen die Grenzen ihres Daseins in anthropologischer Hinsicht, als soziale Wesen und zugleich als natürlich Lebewesen, die um die Zeitlichkeit und Endlichkeit ihrer Existenz wissen, vollziehen, reflektieren, gestalten und ggf. auch revidieren können. Entsprechend stellen die mit dem Schelm verwandten Figuren des Narren, des „tricksters“ und des Picaro, aber auch mitunter Kasperles und des Teufels, weitere Verhaltensmuster dar, in denen Grundverhältnisse des Menschseins: Geschlecht, Leiblichkeit, Naturgebundenheit, Sterblichkeit und Krankheit ebenso wie die sozialen Verhältnisse: Gruppenzugehörigkeit und Ausschluss, Macht und Ohnmacht, Herrschaft und Unterdrückung, Rollentausch und Wechselspiele, nicht zuletzt seine imaginativen Vermögen: Phantasie, Träumerei, Konstruktion und Umgestaltung inszeniert, angesprochen und ggf. auch wieder aufgehoben werden können. Die Bandbreite der Texte und Figuren reicht hier vom Mythos über die antiken und frühneuzeitlichen Karnevalskulturen, die mittelalterlichen Maskenfeste und Narrenerzählungen bis zu den Inszenierungen der Moderne und Postmoderne und deren teils kritische, teils ästhetische Ausgestaltung. Die Vorlesung will dazu eine Einführung geben, die ausgehend von Ovids „Metamorphosen“ (8 v.d.Z) bis zu Daniel Kehlmanns „Tyll“ (2017) den Spuren und Grenzen, auch Grenzüberschreitungen des Menschen im Medium der Literatur nachgeht.
Lit.: James Frazer: Der goldene Zweig. Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker [1890]. Reinbek: Rowohlt 2004; Helmuth Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie [1928]. Berlin New York: de Gruyter 31965; Helmuth Plessner: Zur Anthropologie des Schauspielers. In: ders.: Zwischen Philosophie und Gesellschaft. Ausgewählte Abhandlungen und Vorträge. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 205-219; Paul Radin u.a.: Der göttliche Schelm. Ein indianischer Mythen-Zyklus. Zürich: Rhein Verlag 1954; Elias Canetti: Masse und Macht. Frankfurt a.M.: Fischer 1960; Elias Canetti: Der Beruf des Dichters. Münchner Rede Januar 1976. In: ders. Das Gewissen der Worte. Essays. Frankfurt a.M.: Fischer 1981, S. 279-290; Michail Bachtin: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. München: Hanser 1969; Michail Bachtin. Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987; Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag [1959]. München: Piper 1983; Matthias Bauer: Der Schelmenroman. Stuttgart: Metzler 1994; Jürgen Jacobs: Der Weg des Picaro. Untersuchungen zum europäischen Schelmenroman. Trier: WVT 1998; Hans Gerd Rötzer: Der europäische Schelmenroman. Stuttgart: Reclam 2009; Erhard Schüttpelz: Der Trickster. In: Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma. Hrsg. von Eva Eßlinger, Tobias Schlechtriemen, Doris Schweitzer, Alexander Zons. Berlin: Suhrkamp 2010, S. 208–224.
S: Literarische Kapitalismuskritik seit dem 18. Jahrhundert
Mi 10-12
Karl Marx‘ spöttische Bemerkung zum Kapitalismus „Er wirft lebendige Junge oder legt wenigstens goldne Eier.“ (MEW 23, S. 169) weist nicht nur auf die bis heute ebenso rätselhafte wie attraktive Produktivität des Kapitalismus hin, sondern verweist im Rückgriff auf landwirtschaftliche oder märchenhafte Bilder zugleich auf das Problem seiner Darstellung bzw. Darstellbarkeit. Nicht erst Bertolt Brecht, sondern so auch schon Goethe und Marx selbst, Adam Smith und andere haben sich seit dem 18. Jahrhundert mit der Undarstellbarkeit, also in gewissem Sinn auch Unfassbarkeit und nicht zuletzt Unvermittelbarkeit kapitalistischer Erfahrungen und Prozesse beschäftigt und zugleich versucht, diese dann doch in irgendwelchen Formen narrativer, allegorischer oder experimenteller Gestaltung einer gewissen Fasslichkeit/Begreifbarkeit zuzuführen. Dieser Problemstellung werden wir nach grundlegender Lektüre einiger historischer Beschreibungs- und Theorie-Ansätze anhand ausgewählter literarischer Werke nachgehen, wobei die aktuelle Debatte um die Unvorstellbarkeit eines historischen Endes dieser Formation ebenso wenig aus den Augen verloren werden soll wie die mit ihrer Verinnerung verbundenen Belastungen und gesellschaftlichen Verwerfungen. Texte u.a. von Wilhelm Hauff, Jean Paul, Johann Wolfgang von Goethe, Charles Dickens, Emile Zola, Upton Sinclair, Bertolt Brecht, Rainer Merkel, Don DeLillo, Kathrin Röggla und Heiner Müller.
Lit.: Karl Polanyi: The Great Transformation. Politische und gesellschaftliche Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen [1944]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1978; Immanuel Wallerstein: Der historische Kapitalismus. Berlin: Argument 1984; Jürgen Kocka: Geschichte des Kapitalismus. München: Beck 2013 32017; Heinz Schlaffer: Faust Zweiter Teil. Die Allegorie des 19. Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler 1989; Hans Adler (Hg.): Der deutsche soziale Roman im 18. und 19. Jahrhundert. Darmstadt: WBG 1990; Christoph Menke, Juliane Rebentisch (Hg.): Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus. Berlin: Kadmos 2010; Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals. Zürich: diaphanes 2011; Marc Fisher: Kapitalistischer Realismus ohne Alternative. Eine Flugschrift. Hamburg: VSA 2013; Ingar Solty, Enno Stahl (Hg.): Richtige Literatur im Falschen? Schriftsteller - Kapitalismus – Kritik. Berlin: Verbrecher Verlag 2016; Oliver Nachtwey: Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne. Berlin: Suhrkamp 2016; Matthias Greffrath (Hg.): RE: Das Kapital im 21. Jahrhundert. München: A. Kunstmann 2017; Heiner Müller: „Für alle reicht‘s nicht“. Texte zum Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp 2017.
S: Gespenstergeschichten
Di 14-16
Goethes Wortspiel von den „Gespenst-Gespinnsten“ (Faust II, V 6199) verknüpft das Unfassbare von Geistererscheinungen, wie es sich nicht zuletzt in volkskulturellen Überlieferungen und Erzählstoffen rund um den Globus findet und das dann sowohl das Vergnügen als auch mitunter das Gruselige und Gefährdende dieser Geschichten ausmacht, mit dem Gemacht- bzw. Hergestelltsein solcher Erscheinungen, also mit deren Künstlichkeit und eben auch Unwirklichkeit. Dabei ist der Status der Gespenster nicht ausgemacht, seien diese nun in einer Erfahrung oder Erscheinung begründet oder handwerklich als Zauber- oder Betrügertricks angelegt, als Illusionskunst gestaltet oder auch auf schieren Effekt hin angelegt. Immer aber geht es um Grenzlagen, in denen sowohl anthropologische als auch soziale und nicht zuletzt ästhetische Möglichkeiten von Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen erkundet, ggf. auch gestaltet werden können. Neben Grauen tritt Humor, neben das Groteske Angstlust und vielfach auch das Vergnügen an Spannung und deren erhoffte oder verweigerte Auflösung, so dass mit der Vielfalt der Gespenster auch die Faszination und die Schreckerfahrungen der Maske und des Verlusts an Identität und Sicherheit erfahrbar werden. Wir werden im Seminar antike und mittelalterliche, frühneuzeitliche, aufgeklärte, romantische und realistische Gespenster ebenso kennenlernen wie solche der Avantgarde und auch der Postmoderne. Volkskulturelle Überlieferungen sollen angesprochen werden; ebenso die jüdische Tradition und je nach Vorschlägen der TeilnehmerInnen auch einige außereuropäische Gespenster, ggf. auch Filme und Comics – und nicht alle werden unterhaltend und spannend, manche vielmehr belastend und unerträglich sein. Zur Vorbereitung wird empfohlen, sich eine der unzähligen Sammlungen der „besten Gespenstergeschichten der Welt“ anzuschaffen und durchzuschmökern.
Lit.: Sigmund Freud: Das Unheimliche (1919). In: Sigmund Freud Studienausgabe Bd. IV. Frankfurt a.M.: Fischer 1970, S. 241-275; Theodor W. Adorno: Thesen gegen den Okkultismus. In: ders. Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1951, S. 321-329; Gero von Wilpert: Die deutsche Gespenstergeschichte. Motiv – Form – Entwicklung. Stuttgart: Kröner 2001; Tzvetan Todorov: Einführung in die phantastische Literatur. Frankfurt a.M.: Fischer 1992; Natalie Binczek: Gespenster. In: Nicolas Pethes; Jens Ruchatz (Hg.): Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon. Reinbek: Rowohlt 2001, S. 233-235; Jacques Derrida: Marx‘ Gespenster. Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004; Moritz Baßler, Bettina Gruber, Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Gespenster. Erscheinungen, Medien, Theorien. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005; Avery F. Gordon: Ghostly Matters. Haunting and the Sociological Imagination. London: Univ. of Minnesota Press 2008; Oliver Dimbath, Anja Kinzler: Wie sozial sind Gespenster? Wissenssoziologische Untersuchungen zu einem unheimlichen Phänomen. In: Nebulosa Heft 3 (2013): Gespenster, hrsg. von Eva Holling, Matthias Nauman, Frank Schlöffel. Berlin: Neofelis 2013, S. 52-62; Andreas Kraft: Gespenstische Botschaften an die Nachgeborenen: „Cultural Haunting“ in der neueren deutschen Literatur. In: Aleida Assmann u.a. (Hg.): Rendezvous mit dem Realen. Die Spur des Traumas in den Künsten. Bielefeld: transcript 2014., S. 141-165; Aleida Assmann: Fotografie und Geister in der Gegenwartskunst: Treichel, Boltanski, Leibovitz, ebd., S. 167-190; Lorenz Aggermann u.a. (Hg.): „Lernen, mit den Gespenstern zu leben“. Das Gespenstische als Figur, Metapher und Wahrnehmungsdispositiv in Theorie und Ästhetik. Berlin: Neofelis 2015.
FKolloq.: Gegenwartsliteratur
Di 16-18
So alltäglich und vertraut „Gegenwart“ im Gespräch und im eigenen Selbstverständnis erscheinen mag, so schwierig, ja geradezu unmöglich scheint es, diese philosophisch oder auch lebensgeschichtlich zu bestimmen oder gar festzuhalten. Philosophisch reicht die Reihe derer, die sich an der Frage: Was ist Gegenwart? abgearbeitet haben, von Platon und Augustinus über die Mystiker der christlichen und jüdischen Tradition bis zu Kant, Hegel, Nietzsche und Kierkegaard, dann weiter bis zu Bloch, Benjamin und Hermann Schmitz. Aber nicht nur Philosophen sondern auch viele Künstler haben es zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Sphären und mit den verschiedensten Mitteln bis hin zu Beschwörung (und Zauberei) darauf angelegt, Gegenwart festzuhalten, wenn nicht gar zu bannen. Ob und in welchem Maße sich literarische Texte, im Sinne Paul Ricœurs als Erfahrungs- und Gestaltungsformen von Zeit genommen, hier als anschaulich, ja hilfreich erweisen, wird im Seminar in zwei Richtungen zu erkunden sein: Zum einen im Blick auf literarische Texte, die wie Robert Menasses „Die Hauptstadt“ (2017), Richard Fords „Between Them“ (2017), Annie Ernaux: „Les années“ (2008) oder Andrzej Stasiuks „Dukla“ (1997) darauf ausgehen, aktuelle Gegenwart in naiver oder reflexiver Gestaltung „festzuhalten“. Zum anderen wird es aber auch darum gehen, sich im Anschluss an die bei Augustinus einsetzende Engführung von Identität und Zeitbewusstsein mit der Konstitution und Selbsterfahrung des Subjekts/Menschen unter den Bedingungen der Moderne zu beschäftigen.
Lit.: Jörg Zimmer: Gegenwart. In: Enzyklopädie Philosophie. Hrsg. von Hans Jörg Sandkühler. Bd. 1. Hamburg: F. Meiner 2010, S. 783-786; J. Hennig: Gegenwart. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 3. Hrsg. Von Joachim Ritter. Basel: Schwabe 1974, Sp. 136-138; Manfred Frank: Die Unhintergehbarkeit von Individualität. Reflexionen über Subjekt, Person und Individuum aus Anlaß ihrer 'postmodernen' Toterklärung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986; ders.: Zeitbewusstsein. Von der Frühromantik bis heute. Pfullingen: Klett-Cotta 1990; Karl Heinz Bohrer: Ewige Gegenwart. In: ders.: Ekstasen der Zeit. Augenblick, Gegenwart, Erinnerung. München Wien: Hanser 2003, S. 53-71; George Steiner: Von realer Gegenwart. In: ders.: Der Garten des Archimedes. Essays. München Wien 1997, S. 37-65; Reinhart Koselleck: „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ – zwei historische Kategorien. In: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a.M.: 1979, S. 349-375; Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1966; Karl Heinz Bohrer: Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981; Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann und Thomas Lemke (Hg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004.
Kolloquium für Doktoranden und Doktorandinnen: O. u. Z. n. V.
Wintersemester 2017-2018
VL: Komparatistik: Geschichte – Arbeitsfelder – Perspektiven
Mi 8-10
Die Vorlesung wird das Arbeitsfeld der Komparatistik in Themen und Bespielen vorstellen, dabei auf historische Rahmungen und zum Teil auch länderspezifische Entwicklungslinien des Faches eingehen und diese mit aktuellen Aufgabenstellungen und Debatten verknüpfen. Einstiegsmöglichkeiten zum aktuellen Stand des Faches, auch ggf. im Blick auf seine Grenzen und Überforderungen, bieten hierzu der web-Auftritt der nordamerikanischen Komparatistik: The 2014-2015 Report on the State of the Discipline of Comparative Literature [https://stateofthediscipline.acla.org/ (21.07.2017)], sowie die dort angesprochenen bzw. auch verlinkten Themenfelder, Forschungsprojekte und –debatten. In diesem Rahmen richtet sich die Vorlesung natürlich an KomparatistInnen, aber auch an andere an interkulturell ausgerichteten literaturwissenschaftlichen Fragen Interessierte aus den Bereichen der Lehramtsausbildung, DaF und fachspezifischer Zugänge anderer Philologien (und darüber hinaus).
Literatur zur Einführung: Angelika Corbineau-Hoffmann: Einführung in die Komparatistik. Berlin: E. Schmidt 2000 [32013]; David Damrosch: What is world literature? Princeton: UP 2003; Ernst Grabovszki: Vergleichende Literaturwissenschaft für Einsteiger. Wien Stuttgart: Böhlau UTB 2011.
Weitere Literatur: Ulrich Weisstein: Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1968; Horst Rüdiger (Hg.): Komparatistik. Aufgaben und Methoden. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1973; Gerhard R. Kaiser: Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. Forschungsstand – Kritik – Aufgaben. Darmstadt: WBG 1980; Peter V. Zima: Komparatistik. Einführung in die vergleichende Literaturwissenschaft. Tübingen: Francke 1992; Steven Tötösy de Zepetnek: Comparative Literature. Theory, Method, Application. Amsterdam Atlanta: Rodopi 1998; Geoffrey Hartman: Das beredte Schweigen der Literatur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000; Eva Kushner: The Living Prism. Itineraries in Comparative Literature. Montréal Kingston: McGill-Queen’s UP 2001; George Steiner: Errata. Bilanz eines Lebens. München: dtv 2002; Charles Bernheimer: Comparative Literature in the Age of Multiculturalism: Baltimore: John Hopkins UP 1994. Haun Saussy (Hg.): Comparative Literature in the Age of Globalization. Baltimore: John Hopkins UP 2006; Gayatri Chakravorty Spivak: An Aesthetic Education in the Era of Globalization. Cambridge/Mass.: Havard UP 2012; César Domínguez, Haun Saussy, Darío Villanueva: Introducing Comparative Literature. New Trends and Applications. London New York: Routledge and Kegan Paul 2015.
Textbücher und Rahmen: Hans Norbert Fügen (Hg.): Vergleichende Literaturwissenschaft. Düsseldorf Wien: Econ 1973; Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013; David Damrosch (Hg.): World Literature in Theory. New York: Wiley-Blackwell 2014.
S: Eisenbahngeschichten
Di 14-16
Mobilität, Flüchtigkeit, aber auch die Unmittelbarkeit des Augenblicks gehören, Charles Baudelaire zufolge, zu den Grunderfahrungen eines Lebens in der Moderne. Hierfür schienen, zumindest in den Gründerjahren der Moderne, der Eisenbahnbau und ebenso auch das Unterwegsseins auf Schienen modellhaft zu sein und bestimmten so auch nicht nur die Erfahrungen der Zeitgenossen, sondern fanden auch ihren Niederschlag in Literatur und dem in dieser Zeit ebenfalls einsetzenden Film. Peter Gay hat in diesem Sinne das 19. Jahrhundert das „Zeitalter der Kurierzüge“ genannt und damit darauf hingewiesen, dass diese technische Entwicklung nicht nur auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zurückwirkt: Nation als Arbeitsrahmen nationaler und transnationaler Verkehrs- und Verwaltungsprojekte; Schienenstränge nicht nur als Infrastruktur und Kommunikationsträger, sondern auch als Impulsgeber einer territorialen (nationalen) Stabilisierung und zugleich als Motoren der Verunsicherung und Dynamisierung. Darüber hinaus wirken sich Mobilität, Beschleunigung und eiserne Bänder, die Landschaften strukturieren, auch auf die Lebenswelten von Individuen und Gruppen aus. Unter den Bedingungen fortschreitender Moderne werden im Bildfeld der Eisenbahnen Erfahrungen der Entbettung ebenso angesprochen wie sich die Suche nach Rückbettung (Anthony Giddens) in „Eisenbahngeschichten“ modellieren und ggf. gestalten lässt.
In diesem Rahmen ist von Seiten der Literaturwissenschaft zu erkunden, in welcher Weise zum einen die bislang ungekannte Kraft und Dynamik der Dampfmaschine (auf Rädern) zum Gegenstand literarischer oder anderer künstlerischer Gestaltung wurde bzw. werden konnte. Zum anderen geht es um die Frage, in welcher Weise neue Textformen und damit verbundene Wahrnehmungsformen mit den durch die Eisenbahnreise erzeugten Möglichkeiten und Erfahrungen der Kontingenz (Bekanntschaft auf der Strecke und unerwarteter Ausstieg am nächsten Halt) aufkamen bzw. entwickelt werden konnten, in denen der Aufbau und der Abbruch von Kommunikation und Beziehungen, aber auch der Eintritt bzw. die Erfahrung des Unerwartbaren (Widerfahrnis) gefasst und ggf. gestaltet werden können. Dass Bahnhöfe als Drehschreiben, End- und Ausgangspunkte von Reisen, und die dort angesiedelten Erfahrungen und Geschichten in diesem Rahmen eine wichtige Rolle spielen, wird im Seminar ebenso zu anzusprechen sein, wie die Gestaltung der Kontingenz und Unabgeschlossenheit von Sinnerwartungen unter den Bedingungen technisch gerahmter Mobilität und ihrer ggf. sich steigernden Dynamik. Neben Texten, u.a. von Tolstoi und Mark Twain, Heinrich Heine, Sholem Alejchem, Guy de Maupassant, Robert Musil, Wenedikt Jerofejew, William Saroyan und Michel Tournier werden wir auch einen Blick in das Great American Songbook werfen und einige Filme heranziehen, die nicht nur in die Welt des 19. Jahrhunderts einführen, sondern auch auf den Umgang mit Dynamik und Unruhe in der aktuellen Welt der Moderne verweisen. Auch die Welt der Bahnhöfe und entsprechender „Bahnhofsgeschichten“, für die sich bei google in 33 Sekunden 4550 Einträge finden lassen (21.07.2017), soll berücksichtigt werden.
Literatur zur Einführung: Günter Stolzenberger (Hg.): EisenbahnGeschichten. München: dtv 2003; Wilhelm Kamlah: Philosophische Anthropologie. Sprachkritische Grundlegung und Ethik. Mannheim: Bibliographisches Institut 1972; Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Frankfurt Berlin Wien: Ullstein 1979; Peter Gay: Allgemeine Einführung. In: ders.: Erziehung der Sinne. Sexualität im bürgerlichen Zeitalter. München: Beck 1986, S. 11-80; Marshall Berman: All that is solid melts into air. The Experience of Modernity. New York Toronto: Penguin 1988; Hermann Bausinger, Klaus Beyrer, Gottfried Korff (Hg.): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. München: Beck 1991; Anthony Giddens: Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995; Peter Wagner: Soziologie der Moderne. Freiheit und Disziplin. Frankfurt a.M. New York: Campus 1995; Alfred Gottwaldt: Der Bahnhof. In: Alexa Geisthövel, Habbo Koch (Hg.): Orte der Moderne. Erfahrungsräume des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M.: Campus 2005, S. 17-26; Hartmut Rosa: Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005; Carolyn Dougherty: Eisenbahn. In: Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 3. Stuttgart Weimar: Metzler 2006, Sp. 154-167; Marc Augé: Nicht-Orte. München: Beck 2010; Markwart Herzog, Mario Leis (Hg.): Der Bahnhof: Basilika der Mobilität - Erlebniswelt der Moderne. Stuttgart: Kohlhammer 2010; Hendrik Ammoser: Das Buch vom Verkehr. Die faszinierende Welt von Mobilität und Logistik. Darmstadt: WBG 2014.
S: Europa von Außen: Imaginationen, Erfahrungen und Reflexionen außereuropäischer Beobachter in literarischen Texten
Mi 10-12
Auch wenn die Europäer, wie dies u.a. Krzystof Pomian in seiner Geschichte des Museums (1988) darstellt, gerne für sich in Anspruch nehmen, dass keine andere Kultur in solchem Ausmaß und so systematisch und umfassend Erfahrungen und Sachverhalte aus anderen Ländern bzw. Kontinenten gesammelt und aufgearbeitet habe, so gibt es doch auch eine ganze Bibliothek von Texten, in denen außereuropäische Beobachter ihre Erfahrungen und Vorstellungen von und mit Europa aufgezeichnet haben, seien diese nun Reisende aus Asien Afrika oder den beiden Amerikas gewesen. Dass sich hier nicht nur ein reicher Vorrat an Beobachtungen findet, der wiederum nicht zuletzt zur fiktionalisierten Selbstbeschreibung und Selbstverständigung Europas in Texten von der Aufklärung (Diderot, Montesquieu) bis hin zur Kulturkritik des 20. Jahrhunderts (Der Papalagi, „Rede“ des Häuptlings Seattle) herangezogen wurde, ist das eine; das andere, dass sich in diesen Berichten eines „Europa im Spiegel“ (Jusep Fontana) natürlich auch Beobachtungen anthropologischer und transkultureller Art finden lassen, die im Hinblick auf einen mögliche Weltkultur/Weltliteratur ausgearbeitet werden können/konnten. Anhand ausgewählter Beispiele und Autoren aus unterschiedlichen Jahrhunderten werden wir im Seminar diesen Fragen nachgehen, auch auf die Möglichkeiten einer Poetik des der Fremd- und Selbstbeobachtung eingehen und so die mit den Texten verbundenen Reflexionschancen nach beiden Seiten hin erkunden und erörtern. U. a. werden Texte von Olaudah Equiano, Ahmed Resmi Efendi, Mark Twain, Henry Adams, W. E. B. Dubois, Ousmane Sembène, Cheik Hamidou Kane zur Sprache kommen; ebenso die von Cheng Fen gesammelter Berichte bzw. Beobachtungen chinesischer Diplomaten aus dem 19. Jahrhundert und Beobachtungen des modernen Europa seit Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Sicht lateinamerikanischer und karibischer SchriftstellerInnen und Reisender. Zum Einstieg sei auf einen exemplarischen Arbeitsansatz hingewiesen, wie er sich der Selbstbeschreibung der Bonner Arbeitsgruppe „Europa von Außen“ findet: https://www.europava.uni-bonn.de/
Erste Literaturhinweise: Peter J. Brenner (Hg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1989; Paul Gilroy: The Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness. London New York: Verso 1993; Eric J. Leed: Die Erfahrung der Ferne. Reisen von Gilgamesch bis zum Tourismus unserer Tage. Frankfurt a.M. New York: Campus 1993; Martin Fuchs, Eberhard Berg: Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation. In: dies. (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1993, S. 11-108; Jusep Fontana: Europa im Spiegel. Eine kritische Revision der europäischen Geschichte. München: Beck 1995; Michael Taussig: Mimesis und Alterität. Eine eigenwillige Geschichte der Sinne. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1997; Feng Chen: Die Entdeckung des Westens. Chinas erste Botschafter in Europa 1866-1894. Frankfurt a. M.: Fischer 2001; Thomas Hauschild, Bernd Jürgen Warneken (Hg.): Inspecting Germany. Internationale Deutschland-Ethnographie der Gegenwart. Münster: Lit. Verlag 2002; Ferdinand Seibt: Die Begründung Europas. Ein Zwischenbericht über die letzten tausend Jahre. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2002; Manfred Beller, Joep Leerssen (Hg.): Imagology. The cultural construction and literary representation of national characters. A critical survey. Amsterdam Atlanta: Rodopi 2007; Bekim Agai, Zita Ágota Pataki (Hg.): Orientalische Reisende in Europa - Europäische Reisende im Nahen Osten. Bilder vom Selbst und Imaginationen des Anderen. Berlin: EB-Verlag 2010; Bekim Agai, Stephan Conermann (Hg.): „Wenn einer eine Reise tut, hat er was zu erzählen“. Präfiguration – Konfiguration – Refiguration in muslimischen Reiseberichten. Berlin: EB-Verlag, 2013; Manfred Beller: Fremdbilder, Selbstbilder. In: Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013, S. 94-99.
FKolloq.: „Gastarbeiter“-Literatur
Di 16-18
Das Kolloquium fokussiert zunächst auf eine bestimmte Phase und einen bestimmten Diskurs in der Sozial-, Kultur- und Literaturgeschichte der Bundesrepublik. In Folge der 1955 einsetzenden Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer, deren Aufenthalt, so benennt es schon der Begriff des „Gastarbeiters“, auf Zeit geplant war und sich lediglich an den Bedarfen des deutschen Arbeitsmarkts ausrichtete, waren zwar „Arbeitskräfte gerufen“ worden, aber wie es Max Frisch prägnant formuliert hat: „Menschen gekommen“ (Frisch 1969: 29). Tatsächlich kehrten von den bis 1973 in die Bundesrepublik gekommenen 13 Millionen Menschen nahezu 11 Millionen in diesem Zeitraum auch wieder in ihre Heimatländer zurück. Zugleich aber veränderten die mit der Arbeitsmigration verbundenen Alltagserfahrungen, zumal dann auch der einsetzende Familiennachzug sowie die durch die deutsche Gesetzeslage gegebene „Vererbung“ des Ausländerstatus auf die nächsten Generationen nicht nur die bundesrepublikanische Gesellschaft nachhaltig, sondern brachten seit den 1960er Jahren dann auch zunehmend die Stimmend der Migranten selbst zu Gehör, nicht zuletzt in den Feldern der Kultur und Literatur. Insoweit gehen die Arbeitsfragen des Kolloquium zunächst von den 1960er und 1970er Jahren als einer Drehscheibe aus, auf der ältere „volksgemeinschaftlich“ orientierte Konzepte der bundesdeutschen Gesellschaft (hier sind natürlich auch Vergleiche im Blick auf die Rolle und die Wahrnehmung der sogenannten „Vertragsarbeiter“ in der DDR nötig) sich der Realität einer wachsenden gesellschaftlichen Pluralität zu stellen hatten, und wir fragen weiter, welche Rolle frühe literarische und andere künstlerische Gestaltungen innerhalb der damit verbundenen Lern- und Aushandlungsprozesse gespielt haben und in welcher Weise sich die heutige Vielfalt und Wirklichkeit der Bundesrepublik als einer multikulturellen Gesellschaft in dieser Bezugslinie verstehen und diskutieren lässt. In literaturwissenschaftlicher Hinsicht werden dabei Fragen der Epochen-, Institutionen- und Korpusbildung ebenso im Mittelpunkt stehen wie solche der literarischen Wertung und Rezeption. Nicht zuletzt geht es um genuin komparatistische Fragestellungen wie die der Übersetzung, eines mehrsprachigen Schreibens und auch um die Erscheinungsformen und Rollen migrantischen Schreibens in den Literaturen anderer Gesellschaften.
Textsammlungen: Christian Schaffernicht (Hg.). Zuhause in der Fremde. Ein bundesdeutsches Ausländer-Lesebuch. Fischerhude: Verlag Atelier im Bauernhaus 1981; Habib Bektaş u.a. (Hg.): Das Unsichtbare Sagen! Prosa und Lyrik aus dem Alltag des Gastarbeiters. Kiel: Malik 1983; Yüksel Pazarkaya (Hg.): Spuren des Brots. Zur Lage der ausländischen Arbeiter. Zürich: Union 1983; Heinz Friedrich (Hg.): Chamissos Enkel. Zur Literatur von Ausländern in der Bundesrepublik. München: dtv 1986; Karl Esselborn (Hg.): Über Grenzen. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Ausländern. München: dtv 1987; Carmine Chiellino: Die Reise hält an. Ausländische Künstler in der Bundesrepublik. München: Beck 1988; Zafer Şenocak: Atlas des tropischen Deutschland. Berlin: Babel 1992; Ilija Trojanov (Hg.): Döner in Walhalla. Texte aus der anderen deutschen Literatur. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2000; Jamal Tuschick (Hg.): Morgen Land. Neueste deutsche Literatur. Frankfurt a.M.: Fischer 2000.
Literatur zur Einführung: Ernst Klee (Hg.): Gastarbeiter. Analysen und Berichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972; Jan Motte, Rainer Ohliger (Hg.): Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft. Migration zwischen historischer Rekonstruktion und Erinnerungspolitik. Essen: Klartext 2004; Projekt Migration. Kölnischer Kunstverein. Köln: DuMont 2005; Rita Chin: The Guest Worker Question in Postwar Germany. Cambridge: Mass. UP 2007; Wiebke Sievers: Zwischen Ausgrenzung und kreativem Potential. Migration und Integration in der Literaturwissenschaft. In: Heinz Fassmann, Julia Dahlvik (Hg.): Migrations- und Integrationsforschung – multidisziplinäre Perspektiven. Ein Reader. Wien: V & R Unipress 2011, S. 189-210; Franz Hamburger: Von der Willkommenskultur zum Schießbefehl. Ein nicht nur polemischer Kommentar. In: Neue Praxis Sonderheft 13: Flucht, Sozialstaat und Soziale Arbeit (2017), S. 21-35;
Gino Chiellino: Literatur und Identität in der Fremde. Augsburg: Selbstverlag 1985; Bernd Hamm: Fremdgegangen – freigeschrieben. Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann 1988; Sargut Şölçün: Sein und Nichtsein. Zur Literatur in der multikulturellen Gesellschaft. Bielefeld: Aisthesis 1992; Immacolata Amodeo: ‚Die Heimat heißt Babylon‘. Zur Literatur ausländischer Autoren in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996; Nasrin Amirsedghi, Thomas Bleicher (Hg.): Literatur der Migration. Mainz: Kinzelbach 1997; Carmine Chiellino (Hg.): Interkulturelle Literatur in Deutschland. Ein Handbuch. Stuttgart Weimar: Metzler 2000; Ottmar Ette: ÜberLebenswissen 1: Die Aufgaben der Philologie. Berlin: Kadmos 2004; ders.: ÜberLebenswissen 2: ZwischenWeltenSchreiben. Literaturen ohne festen Wohnsitz. Berlin: Kadmos 2005; Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Literatur und Migration. München: Edition Text und Kritik. 2006; Elke Sturm-Trigonakis: Global playing in der Literatur. Ein Versuch über die neue Weltliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann 2007; Wiebke Sievers: Writing politics. The emergence of immigrant writing in West Germany and Austria. In: Journal für Ethnic and Migration Studies 38/8 (2008), S. 1217-1235; Helmut Schmitz (Hg.): Von der nationalen zur internationalen Literatur. Transkulturelle deutschsprachige Literatur und Kultur im Zeitalter globaler Migration. Amsterdam: Rodopi 2009; Immaculata Amodeo, Heidrun Hörner (Hg.): Zu Hause in der Welt: Topografien einer grenzüberschreitenden Literatur, Sulzbach/Ts.: Helmer 2010; Mirjam Gebauer, Pia Schwarz Lausten (Hg.): Migration and Literature in Contemporary Europe. München: Meidenbauer 2010; Sandra Vlasta: Migration und Komparatistik. In: Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013, S. 181-183.
Sommersemester 2017
VL: Komparatistik in der Migrationsgesellschaft
Mi 8-10
In seinen Ausführungen zu dem von ihm in den 1820er Jahren ins Gespräch gebrachten Begriff der „Weltliteratur“ geht Goethe von Beobachtungen aus, die sich zunächst auf die Zeit Napoleons und die daran anschließenden Jahrzehnte beziehen: „ … die Nationen … hatten zu bemerken, daß sie manches Fremde gewahr worden, in sich aufgenommen, bisher unbekannte geistige Bedürfnisse hie und da empfunden.“ Die anschließenden Hinweise auf daraus erfolgende „nachbarschaftliche Verhältnisse“ und das „Verlangen, auch in den mehr oder weniger freien geistigen Handelsverkehr mit aufgenommen zu werden“ (Goethe 1830; HA 12: 364) nehmen dann Aspekte vorweg, die sich aktuell (noch) bspw. in den „vier Freiheiten“ des europäischen Binnenmarktes: freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital wiederfinden lassen und auf Prozesse verweisen, die heute unter Stichwörtern wie Globalisierung, Internationalisierung und nicht zuletzt Migrationsgesellschaften verhandelt werden. Als ein die Grenzen von Nationalsprachen-, –kulturen und –literaturen überschreitender Ansatz könnte Komparatistik hier als eines der zentralen Arbeitsfelder transnationaler Verständigungs- und Kennenlernprozesse erkennbar werden, deren Grenzen und (gemäßigte) Zielvorgaben auch Goethe bereits im Blick hatte, als er 1828 schrieb, „daß nicht die Rede sein könne, die Nationen sollten überein denken, sondern sie sollen nur einander gewahr werden, sich begreifen und, wenn sie sich wechselseitig nicht lieben mögen, sich einander wenigstens dulden lernen.“ (ebd., 363) Welche Bezugslinien, Ausformungen und ggf. Angebote komparatistisches Arbeiten im Blick auf die heutigen Migrationsgesellschaften, namentlich die Gesellschaft in Deutschland, bieten könnte, wird in der Vorlesung ebenso erörtert werden, wie die Erfahrungen und Traditionslinien im Umgang mit Fremdheit, Migration und Literatur in anderen Ländern. Nicht zuletzt sollen auch Grenzen und Gefährdungen eines solchen Zugangs unter aktuellen politischen und sozialen Fragestellungen zur Sprache kommen.
Literatur zur Einführung: Peter V. Zima: Aufgaben und Ziele komparatistischer Forschung: Kulturelle Bedingtheit und kulturelle Vielfalt. In: Alois Wierlacher, Andrea Bogner (Hg.): Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart Weimar: Metzler 2003, S 562-569; Eberhard Scheiffele: Interkulturelle Germanistik und Kulturkomparatistik. Konvergenzen, Divergenzen. Ebd., S. 569-576; Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013; Ottmar Ette: Literatur in Bewegung. Raum und Dynamik grenzüberscheitenden Schreibens in Europa und Amerika. Weilerswist: Velbrück 2001; ders.: ZwischenWeltenSchreiben. Berlin: Kadmos 2005 (= Überlebenswissen, Bd. 2); Klaus J. Bade: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München: Beck 2000; Paul Colier: Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen. München: Siedler 2014; Peter Burke: Kultureller Austausch. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000; Eva Kushner: The Living Prism. Itinairies in Comparative Literature. Montréal Kingston: McGill-Queen‘s UP 2001; Édouard Glissant: Traité du Tout-Monde. Paris : Gallimard 1997 (dt. 1999).
S: Analytik und Faszination der Macht in literarischen Texten und im Film
Di 14-16
„Wie geschieht es“, so fragt der Soziologe Heinrich Popitz, „dass wenige Macht über viele gewinnen?“ Er nimmt damit nicht nur das verschlungene und zugleich immer wieder faszinierende Phänomen der Machtbildung in den Blick, sondern fragt damit ebenso nach den Ursachen und Wirkungen von Macht wie er die bis heute ungeklärte Frage auswirft: „Was ist Macht?“ Angesichts der anthropologischen wie sozialen, politischen, kulturellen und nicht zuletzt philosophischen Bedeutung von „Macht“ nimmt es nicht Wunder, dass auch Schriftsteller und andere Künstler bis hin zu den Autoren von Jugendbüchern sich mit den durch Macht angesprochenen Ungleichheitsverhältnissen (ihrem Zustandekommen, ihrer Legitimität, ihren Funktionen auch ggf. den Möglichkeiten ihrer Begrenzung, ja ihres Abbaus) gewidmet haben. Dies gilt seit dem 20. Jahrhundert dann auch für den Film. Gerade weil Macht ebenso gut beschreibbar (in Beispielen) wie zugleich in theoretischen Zugriffen unfassbar erscheint, liegt es nahe hier auf literarische Beispiele und andere künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten zurückzugreifen, in denen der personalen Dimension (und ggf. den Versuchungen und Verheerungen) der Macht ebenso nachgegangen wird wie ihren sozialen und eben auch historischen und politischen Konsequenzen. Wir werden dazu im Seminar zunächst eine Reihe historischer Texte lesen, u.a. von Thukydides, Platon und Cicero, aber auch von Machialvelli, Marx, Nietzsche und Canetti; dann einige ausgewählte Szenen aus Shakespeares Stücken besprechen, um uns schließlich ausführlicher der Lektüre einiger literarischer Werke zu widmen: Choderlos de Laclos „Les liaisons dangereuses“ (1782) sowie die dazu vorhandenen Filmadaptionen (1959/1988/1989/1999), Franz Kafka: Das Schloß (1922/1926); Elias Canettis: Die Blendung (1936) und Bessie Heads „A Question of Power“ (1974). Aus den zahlreichen filmischen Angeboten könnten die Serien „House of Cards“ (2010/2013ff.), aber auch „Borgen“ (2010-2013) bearbeitet werden.
Literaturhinweise: Heinrich Popitz: Prozesse der Machtbildung. Tübingen: Mohr 21969; Hannah Arendt: Macht und Gewalt. München: Piper 1970; Niklas Luhmann: Macht. Stuttgart: Enke 1974; Stefan Hradil: Die Erforschung der Macht. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1980; „Macht“. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 5, Darmstadt Basel: WBG 1980, Sp. 585-631; Karl-Heinz Ilting, Karl-Georg Faber: „Macht, Gewalt“. In: Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 3. Stuttgart: Klett-Cotta 1983, S. 817-935; Heinrich Popitz: Phänomene der Macht. Tübingen: Mohr 1986 (21999); Michael Mann: Geschichte der Macht 3 Bde., Frankfurt a.M. New York: Campus 1994-2001; Hans- Georg Soeffner, Dirk Tänzler (Hg.): Figurative Politik. Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft. Opladen: Leske & Budrich 2002; Michel Foucault: Analytik der Macht. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2005; Byung-Chul Han: Was ist Macht? Stuttgart: Reclam 2005; Andreas Anter: Theorien der Macht zur Einführung. Hamburg: Junius 2012; 22014; Philip H. Roth (Hg.): Macht. Aktuelle Perspektiven aus Philosophie und Sozialwissenschaften. Frankfurt a.M.: Campus 2016.
S: „Tristram Shandy“ und der humoristische Roman des 18. Jahrhunderts
Mi 10-12
Die Frage nach den Bedingungen, unter denen Tristram Shandy, der Erzähler seiner Geschichte, „quite a different figure in the world“ gemacht hätte, und nach den Ursachen, warum es denn anders gekommen ist, führt nicht nur hinein in das Selbstverständnis der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts, sondern auch zu dessen wundester, verletzlichster Stelle: „that not only the production of a rational Being was concerned in it“, sondern eben ein „ganzer“ Mensch, der in seiner Leiblicheit ebenso wie in seinen Wissens- und Anerkennungsbedürfnissen, in seiner Verletzlichkeit ebenso wie in seiner Würde und nicht zuletzt seiner Unvollkommenheit und „schrägen“ Stellung in der Welt in Erscheinung tritt. In der Konzentration auf die nach allen Seiten hin unzureichende Geschichte eines Menschen in seiner Zeit hat Sterne dabei nicht nur Zoten und Ulk zusammengestellt, Familien-, Bildungs- und Mentalitätengeschichte geschrieben, sondern gerade auch die Form des humoristischen Romans auf eine neue, anthropologisch, ästhetisch und damit auch literaturgeschichtlich produktive Stufe gehoben. Dies belegen nicht nur der Erfolg des zwischen 1759 und 1769 publizierten Romans, die schnell erfolgenden Übersetzungen und die daran anschließende Mode und Haltung des „Shandyismus“, sondern auch die Konjunktur und Rezeption der im Roman genutzten Erzählweise eines „abschweifenden Erzählers“ sowie die damit verbundenen Möglichkeiten eines humoristischen, auf Anthropologie ebenso wie auf Sozialkritik hin auslegbaren humoristischen Erzählens selber. Die Reihe der Autoren und Werke, die sich auf Sterne beziehen, beginnt bei Diderot und Wieland, geht weiter über Wezzel, Jean Paul und E.T.A. Hoffmann und wird später u.a. von den russischen Formalisten, etwa bei Viktor Sklovskij, aber auch bei Flann O‘ Brien wieder aufgenommen. Das Seminar wird sich zunächst einer intensiven Auseinandersetzung mit Sternes Text widmen – hierfür sind gründliche Textkenntnisse vorausgesetzt -, auch um einige Rezeptionspotentiale des durchaus auch nach heutigen Maßstäben noch experimentellen Textes zu erkunden und von hier aus die Form und Funktion des im 18. Jahrhunderts in Erscheinung tretenden humoristischen Romans zu bestimmen. Im zweiten Teil werden wir uns dann mit der Rezeption des Werkes und mit den von ihm ausgehenden literarischen Impulsen beschäftigen und diesen im Blick auf Diderot, Wieland und andere Autoren nachgehen.
Literaturhinweise:
Als Arbeitsgrundlage kann immer noch die Ausgabe Laurence Sterne: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. Ed. by Graham Petrie, with an introduction by Christopher Ricks. Harmondsworth: Penguin Classics 1967 (und öfter) genutzt werden; ebenso natürlich: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. Drei Bände (inklusive Kommentarband). Herausgegeben von Melvyn und Joan New. Gainsville: University Presses of Florida, 1978–84; Penguin Classics, 2003; dt.: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt von Michael Walter. 9 Bände. Zürich: Haffmans 1999; Frankfurt a.M.: Eichborn 2006.
http://andromeda.rutgers.edu/~jlynch/Biblio/shandy.html (21.01.2017)
Zur Einführung: Laurence Sterne. Briefe und Dokumente. München: Winkler 1965; David Thomson: Laurence Sterne. Eine Biographie. Frankfurt a.M.: Frankfurter Verlagsanstalt 1991; Peter Michelsen: Laurence Sterne und der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 21962; Rainer Warning: Illusion und Wirklichkeit in „Tristram Shandy“ und „Jacques le Fataliste“. München: Fink 1965; Erwin Wolff: Der englische Roman im 18. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 31980; Gerd Rohmann (Hg.): Laurence Sterne. Darmstadt: WBG 1980; Norbert Kohl: Die Struktur des Tristram Shandy. In: T.S. (Insel Ausgabe). Frankfurt a.M.: Insel 1982, S. 693-717; Wolfgang Iser: Laurence Sternes „Tristram Shandy“. Inszenierte Subjektivität. München: Fink 1987; Christian Schuldt: Selbstbeobachtung und die Evolution des Kunstsystems. Literaturwissenschaftliche Analysen zu Laurence Sternes „Tristram Shandy“ und den frühen Romanen Flann O’Briens. Bielefeld: transcript 2005; Helmut Draxler (Hg.): Shandyismus. Autorschaft als Genre. Merz & Solitude, Stuttgart: Merz & Solitude 2007; Dieter Hörhammer: Humor. In: Ästhetische Grundbegriffe Bd. 3. Stuttgart Weimar: Metzler 2001, S. 66-85.
FK: Erich Auerbach – Edward Said - Gayatri Chakravorty Spivak: Philologie und Weltliteratur
Di 16-18 Uhr
Im Mittelpunkt des Kolloquiums wird die Frage des Eurozentrismus in der Literaturwissenschaft stehen und damit verbunden die Frage, ob und ggf. in welchem Maß die ebenfalls aus europäischen Perspektiven entwickelte Vorstellung der „Weltliteratur“ demgegenüber ein Korrektiv, eine Alternative oder vor allem dessen Fortsetzung darstellt. In diesen Zusammenhängen wird also auch nach den Grundlagen, der Reichweite und den Grenzen des Eurozentrismus zu fragen sein, ebenso auch nach seinen Funktionen und ggf. seiner Legitimität. Mit Erich Auerbach (1892-1957) wird dabei zunächst eine derjenigen literaturwissenschaftlichen Stimmen zu hören sein, die die europäische Tradition in ihre ganzen Tiefe von der Antike über das Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert vertritt und nicht zuletzt aufgrund der eigenen Biographie (Vertreibung aus Deutschland, Leben in der Türkei, dann in den USA) auch Europa von seinen Außen- und Nachtseiten kennengelernt hat. Dass dabei Antike und Mittelalter ebenso wie das Mittelmeer als Räume des Austauschs und der Verschlingungen zwischen Ost und West, Nord und Süd in Erscheinung treten und zumal in einzelnen literarischen Werken ihren Ausdruck finden, führt Auerbach auf den Weg seines programmatischen Aufsatzes „Philologie der Weltliteratur“ (1952), der 1969 von Edward Said aufgenommen auch aktuell wieder die Debatte um die Rolle der Literatur in Zusammenhängen einer sich weiter globalisierenden Welt anzuregen vermag (vgl. Goßens 2013). Ausgehend von Auerbachs reichem Werk, das in einigen charakteristischen Studien im Seminar vorgestellt und bearbeitet wird, werden wir uns dann mit ausgewählten Essays der als Vertreter des Postkolonialismus bekannten Literaturwissenschaftler Edward Said (1935-2003) und Gayatri Chakravorty Spivak (*1942) auseinandersetzen, um an deren Studien die bei Auerbach entwickelten Zugänge zur Weltliteratur zu diskutieren bzw. ggf. auch im Blick auf eine kritische Reflexion des Eurozentrismus weiterzuführen.
Texte: Erich Auerbach: Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie. Bern München: Francke 1947; ders. Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur [Bern 1946]; Tübingen: Narr Francke Attempo 112015; Edward W. Said: Culture and Imperialism. New York: A. Knopf 1993 (dt.: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. Frankfurt a.M.: Fischer 1994); Gayatri Chakravorty Spivak: In Other Worlds. Essays in Cultural Politics. New York: Methuen 1987; dies.: An Aesthetic Education in the Era of Globalization. Cambridge/Mass.: Harvard UP 2012.
Zur Einführung: Peter Goßens: Weltliteratur. In: Handbuch Komparatistik. Hg. von Rüdiger Zymner und Achim Hölter. Stuttgart Weimar: Metzler 2013, S. 138-143; Julia Abel: Erich Auerbach: Mimesis (1946), ebd. S. 296f.; dies.: Edward W. Said: Culture and Imperialism (1993), ebd. S. 320; Sebastian Conrad, Shalini Randeria (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt New York: Campus 2002; Karlheinz Barck, Martin Treml (Hg.): Erich Auerbach. Geschichte und Aktualität eines europäischen Philologen. Berlin: Kadmos 2007; Kader Konuk: East-West Mimesis. Auerbach in Turkey. Stanford/Calif.: Stanford University Press 2010, David Damrosch: What is World Literature? Princeton: UP 2003; Samir Amin: L’eurocentrisme, critique d’une idéologie. Paris: 1988; [= Eurocentrism. Modernity, religion, and democracy. A critique of eurocentrism and culturalism. Nairobi New York: Monthly Review Press 1989 [22010]; Hans-Jörg Neuschäfer: Servo humilis. Oder: was wir mit Erich Auerbach vertrieben haben. In: Deutsche und österreichische Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus. Hg. von Hans Helmut Christmann, Frank-Rutger Hausmann. Tübingen: Stauffenburg 1989, S. 85–106 [= Romanica et comparatistica 10]; Sigrid Nökel: Said, Orientalismus, Exil. Die Ambivalenz des Exil–Daseins zwischen Bruch und Re-Fundamentalisierung des Eigenen. In: Georg Stauth, Faruk Birtek (Hg.): "Istanbul". Geistige Wanderungen aus der "Welt in Scherben". Bielefeld: transcript 2007, S. 131-155; Maria do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript 22015 [zu Spivak, S. 151-218].
WS 2016/17
VL: Was KomparatistInnen wissen sollten: 15 Schlüsselthemen
(Mi 8-10)
Gerne und immer wieder einmal wird darauf verwiesen, dass die Literaturwissenschaften noch nicht einmal wüssten, was Literatur sei, von den Grenzen, den Funktionen oder gar dem Wert eines literarischen Werkes, der Bedeutung einer Epoche oder auch dem Vorbildcharakter großer AutorInnen ganz zu schweigen. Auch weitere Fragen bleiben offen: Nicht nur Who wrote Shakespeare, sondern auch, wer schreibt überhaupt und wozu? Und nicht nur hier schwanken dann auch die Antworten zwischen der Natur, mitunter dem Heiligen Geist, einzelnen Menschen, ihrem Wachbewusstsein, vielleicht geht es aber auch um ihre Tag- und/oder Albträume. Realitätsbezüge wechseln mit Traumwelten und gesellschaftlich strukturierten Räumen des Imaginären, wenn es darum geht, der Literatur, ihren Geschichten, Figuren und ggf. Botschaften, einen Ort zuzuweisen. Auch auf andere Fragen finden sich entweder keine Antworten oder zu viele: Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Text, wer liest was und warum, nicht zuletzt: Warum überhaupt Lesen und Schreiben statt Leben oder auch Liebe (wie es Dante an einer berühmten Stelle im 5. Gesang der „Hölle“ (!) nahelegt)? Statt nun aber in diesen Unbestimmtheiten eine Schwäche allein der Literatur- oder auch anderer Geisteswissenschaften zu sehen, geht es vielmehr darum, solche grundlegenden Themen als das zu erkennen, was sie sind: Es geht dabei, wie auch in anderen Wissenschaften, um Grundbegriffe, um eine Arbeit, die nicht so sehr darauf zielt, endgültige Antworten zu finden, sondern die damit angesprochenen Felder als Baustellen offen zu halten, an denen eine Wissenschaft forschen und ihr Selbstverständnis gewinnen kann. Studium und Lehre (auch in der Schule) tun gut daran, die damit verbundenen Kontroversen und offenen Fragen aufrecht zu erhalten, ja zu pflegen, da sich hieraus nicht nur das Selbstverständnis, sondern auch die Geschichte und Methodenvielfalt, ja die erkenntnisorientierte Produktivität des Wissenschaftsgebiets selbst und damit auch sein Bildungswert erkennen lässt. Die Vorlesung wird in diesem Rahmen zentrale Grundbegriffe und Fragestellung eines komparatistischen Arbeitens auf dem Feld der Literatur aufgreifen und zwar zum einen so, dass sich mit ihnen arbeiten lässt und zum anderen der Horizont dafür offen bleibt, dass in anderen Verhältnissen andere Fragen von anderen Akteuren gestellt und ggf. (anders) beantwortet werden könn(t)en.
Literatur zur Einführung: Gerhard R. Kaiser: Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. Forschungsstand – Kritik – Aufgaben. Darmstadt: WBG 1980; René Wellek, Austin Warren: Theorie der Literatur [1949]. Frankfurt a.M.: Athenäum 1971 (Neuauflage 1995); Jean-Paul Sartre: Was ist Literatur? Ein Essay. Hamburg: Rowohlt 1950 (u. ö.); David Damrosch: What is world literature? Princeton: UP 2003; Hans Dieter Zimmermann: Vom Nutzen der Literatur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1977; Adolf Muschg: Literatur als Therapie. Ein Exkurs über das Heilsame und das Unheilbare. Frankfurter Vorlesungen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981; Christiaan L. Hart Nibbrig : Warum Lesen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1983; Frank Griesheimer, Alois Prinz (Hg.): Wozu Literaturwissenschaft? Kritik und Perspektiven. Tübingen: Francke 1992; Geoffrey Hartman: Das beredte Schweigen der Literatur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000; George Steiner: Errata. Bilanz eines Lebens. München: dtv 2002.
Für weitergehende Zusammenhänge: Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013; Dieter Burdorf, Christoph Fasbender (Hg.): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Stuttgart Weimar: Metzler 2007; Karlheinz Barck u.a. (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in 7 Bänden. Stuttgart Weimar 2000-2005.
Änderung gegenüber dem Vorlesungsverzeichnis:
S: Rasse-Konstruktionen und die Möglichkeiten ihrer literarischen Kritik seit dem 18. Jahrhundert
(Di 14-16)
Ausgehend von der noch heute instruktiven Debatte zwischen Kant und Forster um die Möglichkeiten der Einteilung in Menschenrassen am Ende des 18. Jahrhunderts werden wir uns zunächst mit beiden Seiten einer in dieser Hinsicht ambivalenten Aufklärung kümmern. Denn immerhin brachte das 18. Jahrhundert nicht nur die Vorstellung universaler und zugleich individuell fundierter Menschenrechte auf, sondern zugleich auch einen weiteren Schub im Bemühen, den Menschen und die Menschen nach „wissenschaftlichen“ Kriterien zu klassifizieren. Diese wiederum konnten dann auch als Vorgaben herangezogen werden für die mit der aufkommenden modernen Gesellschaft sich abzeichnenden Integrations- bzw. eben auch Ausschlussagenturen: Arbeit, Bildung, Recht, Kultur und soziale Zugehörigkeit. In diesem Rahmen sind dann auch unterschiedliche Gestaltungs- und Reaktionsformen im literarischen Feld zu erkennen. Sie reichen von ideologischen und affirmativen Rasse-Konstruktionen und entsprechend rassistischen Entwürfen bis zur Kritik eben dieser Entwürfe aus religiösen, weltanschaulichen, anthropologischen und eben auch wissenschaftliche Positionen. Über Medien/Literatur gestaltet und transportiert haben sie dann auch die Kritik des Rassismus und den Antirassismus nach 1945 bestimmt, stehen allerdings auch immer wieder zur Verfügung, wenn es darum geht, rassische Konstruktionen bzw. rassistische Modellbildungen zu bebildern, zu wecken oder auch zu verstärken. Dass es sich bei „Rasse“ um eine Art Mimikry an wissenschaftliche Vorstellungen handelt, ist allerdings auch schon bereits nach der Jahrhundertwende 1900 u.a. von dem später in Halle lehrenden und von den Nazis vertriebenen Soziologen Friedrich Hertz (1878-1964) erkannt und in einer noch heute instruktiven Schrift „Moderne Rassetheorien“ (1904) vertreten worden.
Im Seminar werden wir uns mit Texten u.a. von Mark Twain, Anne Moody, Harriett Beecher Stowe, W. E. B. Dubois, F. O. Hertz, Jean-Paul Sartre, James Baldwin, George Lamming, Edouard Glissant und Philipp Roth beschäftigen und versuchen auf diese Weise ein literarisches Feld zu erkunden, das nicht nur zentral zur Delegitimierung des Rassismus beigetragen hat, sondern angesichts nicht nur noch vorhandener, sondern erneut wachsender Anteile rassistischer Überzeugungen und Tätlichkeiten aktuell wohl auch gebraucht wird. Ob diese Hypothese tragfähig ist, wäre dann auch eine der Fragestellungen, die im Seminar zu diskutieren und zu erkunden sein werden.
Zur Einführung: Christian Geulen: Geschichte des Rassismus. München: Beck 2007; Wulf D. Hund: Rassismus. Bielefeld: transcript 2007; Christian Koller: Rassismus. Paderborn: Schöningh utb 2009.
Grundlegende Literatur: Friedrich Hertz: Rasse. In: Alfred Vierkandt (Hg.): Handwörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Enke 1931, S. 458-466; Werner Conze, Antje Sommer: Rasse. In: Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 5, Stuttgart: Klett-Cotta 1984, S. 135-178; Helmut Bley, Max Sebastian Hering Torres: Rassismus. In: Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 10, Stuttgart Weimar: Metzler 2009, Sp. 607-619; Siegrid Oehler-Klein: Rasse. In: Heinz Thoma (Hg.): Handbuch Europäische Aufklärung. Begriffe – Konzepte – Wirkung. Stuttgart Weimar: Metzler 2015, S. 419-428; Michel Foucault, Leben Machen und Sterben Lassen. Zur Genealogie des Rassismus. Ein Vortrag, in: Lettre International 20 (1993), 62–67; Stuart Hall: Die Konstruktion von ‚Rasse’ in den Medien. In: ders.: Ausgewählte Schriften. Hamburg: Argument 1989, S. 150-171; ders.: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg: Argument 1994/2012; Robert Miles: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Hamburg: Argument 1991; Wolfgang Fritz Haug: Zur Dialektik des Anti-Rassismus. In: Rassismus und Migration in Europa. Hamburg: Argument 1992, S. 407-430; Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (Hg.): Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa. Neuwied: Luchterhand 1997, S. 20-47; Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Geschichte und Bewusstsein der Deutschen. Hamburg: Hamburger Edition 2001.
S: „Das Lob der Torheit“ und andere literarische Versuche über die Reichweiten des menschlichen Verstandes
(Mi 10-12)
Dass der Mensch sich, wie es u.a. Immanuel Kant gefordert hat, seines eigenen Verstandes zu bedienen habe, setzt voraus, dass er ihn hat. Freilich lässt nicht nur die Empirie des Alltags mitunter daran Zweifel aufkommen, sondern, wie dies Barbara Tuchman in ihrer Epoche machenden Studie nachgezeichnet hat, lässt sich auch eine Geschichte der Dummheit von Troja bis zu Richard Nixon schreiben und aktuell über George Bush jr. vermutlich bis zu David Cameron und einigen seiner Zeitgenossen weiterführen. Es nimmt daher nicht wunder, dass Anthropologie und Philosophie, nicht zuletzt eine Wirtschaftstheorie und Sozialwissenschaften, die ein klug abwägendes „rational“ wählendes und ggf. entsprechend handelndes Subjekt postulieren, sich auch mit der Dummheit als einer Art gegenläufiger Position befasst haben, natürlich vielfach auch aus didaktischen und moralischen Gründen, nicht zuletzt in Bezug zu Lehrprogrammen, Verhaltensmodellierungen und erst recht im Sinne einer Schranke oder Barriere zu den Kapitalsorten, die unterschiedliche Gesellschaften bevorraten und ggf. im Angebot haben. Von Jesus wird berichtet, dass er sieben kluge von sieben törichten Jungfrauen zu unterscheiden wusste (Matthäus 25,1-13), während die „docta ignorantia“ des Nikolaus von Cues keineswegs nur eine Verwerflichkeit bezeichnete, sondern zugleich eine Brücke ansprach, die von rationalen Positionen aus zu darüber hinausgehenden Formen des Wissens, der Mystik, der Erfahrung und anderer Formen von Erkennen und Sein führen sollte. Die damit bereits im europäischen Mittelalter erkennbare Ambivalenz der mit Dummheit anzusprechenden Denkweisen, Einstellungen und Verhaltensmuster wird im Zuge der neuzeitlichen Entwicklungen noch einmal weiter aufgefächert. Nicht zuletzt zeigen sich kritische, subversive, rebellische, aber auch mystische und ideologische Besetzungen, von denen die Bekämpfung der Dummheit im Sinne einer widerständigen Dysfunktionalität nicht nur zentral in das Selbstverständnis der Aufklärung und der heute an sie anschließenden Bildungs- und Wissensgesellschaften führt, sondern hier auch auf ein Feld weiterleitet, auf dem die damit verbundenen Zwangsvorstellungen und –einrichtungen, nicht zuletzt auch als Mittel sozialer Disziplinierung, Abstufung und Ausschließung, sichtbar und kritisierbar werden. Dass dabei literarische Texte in der ihnen eigenen grundsätzlichen Ambivalenz auch als geeignete Medien sowohl zur Kritik der Dummheit als auch zu ihrer Inszenierung und ggf. gegenläufig zu ihrer kritischen Reflexion und der damit verbundenen Grenzbestimmungen auch als Gegenentwurf zu einer vermeintlich vorhandenen Rationalität in Erscheinung treten und genutzt werden können, soll Thema des Seminars sein, das damit nicht nur die Grenzen der Verstandesleistungen, sondern auch die Grenz- und Entgrenzungsmöglichkeiten ästhetisch-literarischer Gestaltungsformen zu erkunden sucht. Diese Fragestellung soll an Texten u. a. von Erasmus von Rotterdam, François Rabelais, Jonathan Swift, Jean Paul und Gustave Flaubert ebenso untersucht werden wie an einigen Filmen, bspw. der „Numbscull Trilogie“ (2000, 2003, 2016) der Coen Brothers und an der kanadischen Dokumentation „Stupidity. An exploration into the nature of stupidity in Western society and its history of our perception of it” (R: Albert Nerenberg, 2003).
Zur Einführung:
Carlo M. Cipolla: Die Prinzipen der menschlichen Dummheit. In: ders.: Allegro ma non troppo. Die Rolle der Gewürze und die Prinzipien der menschlichen Dummheit. Berlin: Wagenbach 2001, S. 49-90; O.F. Beer: Dummheit. In: Hist. Wb. Phil. 2. Basel: Schwabe 1972, Sp. 299f.; Johann Eduard Erdmann: Über die Dummheit (1866); Leopold Loewenfeld: Über die Dummheit. Eine Umschau
im Gebiete menschlicher Unzulänglichkeit mit einem Anhange: Die menschliche Intelligenz in Vergangenheit und Zukunft [1909]. Heidelberg: Springer 21921; Walter B. Pitkin: A Short Introduction to the History of Human Stupidity. New York: Simon & Schuster 1932; Robert Musil: Über die Dummheit (1937); Anton C. Zijderveld: Reality in a Looking-Glass. Rationality through an analysis of traditional folly. London Boston: Routledge & Kegan Paul 1982; Barbara Tuchman: The March of the Folly [1984]. Die Torheit der Regierenden von Troja bis Vietnam. Frankfurt a.M.: Fischer 2001.
Forschungskolloquium: Kleinstadtliteratur
Di 16-18
Mit Marc Weiland
Historisch, kulturwissenschaftlich, gesellschaftlich und nicht zuletzt literarisch bildet die Kleinstadt ein bekanntes und vertrautes Bild individuellen Lebens und spezifischer Sozialverhältnisse. Die Wahrnehmung und Gestaltung des kleinstädtischen Lebens schwankt dabei zwischen Idyllisierung und Verwerfung, romantischem Ausmalen und satirisch-kritischer Überzeichnung. Hier finden sich Reaktionsmuster, Verarbeitungsformen und Projektionen wieder, in und mit denen die europäischen Gesellschaften auf jene Abstraktions-, Mobilisierungs- und Verwertungsprozesse und -erfahrungen Bezug nehmen, die sich seit dem 19. Jh. unter dem Stichwort der ‚Moderne‘ fassen lassen und in Literatur, Film und anderen Künsten ihren Widerhall bzw. Ausdruck gefunden haben und auch weiterhin finden. Vor diesem Hintergrund und angesichts einer Fülle von Texten zur Kleinstadt ist durchaus bemerkenswert, dass die Kleinstadt im Unterschied zur Metropole (und auch zum Dorf) kaum Beachtung in den Literaturwissenschaften gefunden hat. Dies ist umso erstaunlicher, als die Kleinstadt gerade für die Gesellschaftsgeschichte der deutschen Lande – auch in ihrer Außenwahrnehmung – als außerordentlich charakteristisch gilt und auch der Kleinstädter/Kleinbürger/Spießer zu den am meisten mit den Verhältnissen im Deutschland des 19. und frühen 20. Jh.s verbundenen Projektions- und Spielfiguren gehört. Die Beschäftigung mit Kleinstadtliteratur stellt dabei nicht nur ein interessantes Repertoire lesens- und diskussionswürdiger Texte zur Verfügung, sondern ermöglicht Einblicke in die Mentalitätengeschichte der deutschen (und anderer) Gesellschaften. Wie könnte, vor diesem Hintergrund, eine Literaturgeschichte der Kleinstadt aussehen und welche kanonischen Texte würden dazugehören? Welche spezifischen (literarischen) Reaktionsmuster und Gestaltungsweisen haben sich angesichts historischer, sozialer, kultureller, technischer und ökonomischer Entwicklungen ausgebildet? Die Arbeit im Kolloquium erfolgt in mehreren Schritten: Auf eine Erörterung unterschiedlicher Konzepte folgt die Erkundung literarischer Kleinstadt-Entwürfe anhand einiger Werke aus dem 18., 19. und 20. Jh.: u.a. Wieland, Keller, Raabe, H. Mann, B. Schulz, Fallada, Uwe Johnson, John Updike, Sherwood Anderson. Dabei wird es auch um eine Bestandsaufnahme der Darstellung und Rolle der Kleinstadt in der zeitgenössischen Literatur und deren Auswertung im Blick auf zeitaktuelle Entwicklungen und Problemstellungen (Rechtextremismus und Einwanderung, Ökologie, Kommunale Selbstorganisation, Kleinstadt-Kulturen) in literarischen (Judith Schalansky, Ingo Schulze, Christoph Hein, Sigfried Lenz, Andreas Maier, Moritz von Uslar) und filmischen Werken gehen (Ethan und Joel Coen, David Lynch, The Simpson).
Literatur zur Einführung:
Holger Thomas Gräf: „Small towns, large implications?“ Bemerkungen zur Konjunktur in der historischen Kleinstadtforschung. In: Peter Johanek, Franz-Joseph. Post (Hg.): Vielerlei Städte. Der Stadtbegriff. Köln: Böhlau 2004; Katrin Keller: Kleinstadt. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 6. Stuttgart: Metzler 2007, Sp. 778-780; Pro Regio Online Heft 2 (2004): Die vernachlässigten Kleinstädte. KLEINSTADT-BILDER - Kleine Sozialgeschichte der ländlichen Kleinstadt von 1945-2000, S. 20-72 [http://www.pro-regio-online.de/downloads/klein1.pdf]; Hermann Glaser: Kleinstadt-Ideologie. Zwischen Furchenglück und Sphärenflug. Sammlung Rombach. Freiburg 1969; Bernd Hüppauf: Die Kleinstadt. In: Alexa Geisthövel/Habbo Knoch (Hg.): Orte der Moderne: Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt/Main, S. 303-315; Christiane Nowak: Menschen, Märkte, Möglichkeiten. Der Topos Kleinstadt in deutschen Romanen zwischen 1900 und 1933. Bielefeld: aisthesis 2013; Clemens Zimmermann (Hg.): Kleinstadt in der Moderne. Ostfildern: Thorbecke 2003.
WS 2015/16
VL: Geschichte und Poetik des Romans bis zur Neuzeit
Mi 8-10
Auch wenn die Geschichte des Romans erst im Europa der frühen Neuzeit einsetzt und der „Aufstieg“ des Romans zu einer ebenso populären wie ambitionierten literarischen Gattung zu den Resultaten des 18. Jahrhunderts gehört, so finden sich große Erzählungen, die sich auf Erfahrungen einzelner Menschen stützen und diese in einen Weltentwurf zu integrieren suchen - in wie auch immer geordneten Formen - schon früher und offensichtlich auch rund um den Globus. Neben der Geschichte der Texte spielen freilich die Muster ästhetischer Kodierung und die Ansatzpunkte ihrer Reflexion in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen ebenfalls eine wichtige Rolle, so dass eine Geschichte des Romans zugleich auch eine Geschichte der Romantheorie und der historischen und sozialen Funktionszusammenhänge im Blick haben muss, wenn sie die in der Gattung, in ihrer Geschichte und in einzelnen Werken in Erscheinung tretenden Anschluss-Möglichkeiten an historische Prozesse und an Schnittstellen kultureller Entwicklungen angemessen aufarbeiten will. Die Vorlesung möchte einen Überblick über die Geschichte der Gattung und ihrer historischen und sozialen Rahmenbedingungen und Funktionen geben, eine Reihe von für die Form, Geschichte und Rezeption des Romans wichtigen Texten vorstellen und wird mit einem Ausblick auf die weitere Geschichte und Entwicklung des Romans nach 1800 enden.
Lit. zur Einführung: Matthias Bauer: Romantheorie und Erzählanalyse. Stuttgart Weimar 1997; Christoph Bode: Der Roman. Eine Einführung. Tübingen Basel 2005; Jutta Eming: Emotion und Expression. Untersuchungen zu deutschen und französischen Liebes- und Abenteuerromanen des 12.- 16. Jahrhunderts. Berlin 2006; Manfred Engel: Roman. In: Fischer Lexikon Literatur Bd. 3. Frankfurt a. M. 2002, S.1669-1709; Gérard Genette: Die Erzählung. München 1994; Bruno Hillebrand: Theorie des Romans. München 1980; Albrecht Koschorke: Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie. Frankfurt a. M. 2012; Franco Moretti (Hg.): The Novel. 2 Bde. Princeton u.a. 2006; Steinecke, Hartmut und Fritz Wahrenburg (Hg.): Romantheorie. Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Stuttgart 1999; Viktor Žmegač: Der europäische Roman. Geschichte seiner Poetik. Tübingen 1990.
Einige „Klassiker“ zum Thema: Theodor W. Adorno: Standort des Erzählers im zeitgenössischen Roman. In: ders.: Noten zur Literatur I, Frankfurt a.M. 1965, S. 61-72; Erich Auerbach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur (1946); Walter Benjamin: Der Erzähler.
Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows. In: ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften. Frankfurt a. M. 1977, S. 385-410; Hans Blumenberg: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans. In: Hans Robert Jauß (Hrsg.): Nachahmung und Illusion. Kolloquium Gießen Juni 1963. Vorlagen und Verhandlungen. 2. Auflage. München: 1969, S. 9-27; E. M. Forster: Aspects of the Novel (1927); Lucien Goldmann: Soziologie des modernen Romans. Neuwied 1970; Volker Klotz (Hg.): Zur Poetik des Romans. Darmstadt 1965; Eberhard Lämmert u. a. (Hg.): Romantheorie 1620-1880. Dokumentation ihrer Geschichte in Deutschland. Frankfurt a. M. 1988; dies. (Hg.): Romantheorie. Dokumentation ihrer Geschichte in Deutschland seit 1880. Königstein/Ts. 1984; Georg Lukács: Theorie des Romans (1920); Norbert Miller (Hg.): Romananfänge. Versuch zu einer Poetik des Romans. Berlin 1965; Ian Watt: The Rise of the Novel (1957); Otto Weinreich: Der griechische Liebesroman. Zürich 1962.
S: Geistersprache und Atemnot: Aspekte der Lyrik
Mi 10-12
Ausgehend von Heinz Schlaffers Studie zur „Geistersprache“ (München 2012) werden wir das literarische Feld lyrischen Sprechens und Gestaltens ebenso wie die Akte und Aspekte seiner Wirkung und Rezeption unter sozialanthropologischen, kulturgeschichtlichen, literaturwissenschaftlichen und speziell komparatistischen Fragestellungen erkunden. Dazu werden Texte aus unterschiedlichen Epochen herangezogen und auch aus unterschiedlichen literarischen und kulturellen Kontexten. Während der europäische Traditionsbestand mit Texten von Pindar, Petrarca, Goethe, Hölderlin, Heine, Baudelaire, Yeats und Nelly Sachs zur Sprache kommen soll, wird auch Platz für Gedichte und Lyriker aus Afrika, Asien und Amerika sein; Zwischenräume und Transferzonen sollen ebenso berücksichtigt werden wie Ansatzpunkte und Problemstellungen des Übersetzens und die Möglichkeiten und Grenzen interkultureller Hermeneutik.
Literatur zur Einführung: Dieter Burdorf: Einführung in die Gedichtanalyse. Stuttgart Weimar [1995] 32015; Terry Eagleton: How to Read a Poem. New York 2011; Hugo Friedrich: Die Struktur der modernen Lyrik. Hamburg 1956/2006; Hans-Henrik Krummacher: Lyra. Studien zur Theorie und Geschichte der Lyrik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin Boston 2013; Dieter Lamping (Hg.): Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart Weimar 2011; Heinz Schlaffer: Geistersprache. Zweck und Mittel der Lyrik. München 2012 (Reclam Tb. 2015); Heinz Werner: Die Ursprünge der Lyrik. Eine entwicklungspsychologische Untersuchung [1924]. New York London 1971.
S: „Säufer-Literatur“: Grenzen und Möglichkeiten mediengestützter Entgrenzung
Di 16-18
Im „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ fehlt ein Eintrag zu „Entgrenzung“. Die Stelle, an der er sich finden sollte/könnte (Bd. 2. Darmstadt Basel 1972, Sp. 525), wird dagegen von den beiden Stichwörtern „Entfremdung“ und „Enthusiasmus“ nicht nur gerahmt, sondern damit auch als Schnittstelle zweier Erfahrungsräume und Bewegungslinien erkennbar, die in unterschiedlicher Weise Entgrenzungsbegehren zum einen verursachen und zum anderen auf deren Erfüllung zielen. Dass dabei, durch die „natürliche Künstlichkeit“ des Menschen (Helmuth Plessner) bedingt, Hilfsmittel unterschiedlicher Art, vom Tanz bis zur Droge, eine Rolle spielen und ihrerseits auf die Befähigung des Menschen zur „Selbsttranszendenz“ (Hans Joas) verweisen, zeigen historische Studien ebenso wie kulturvergleichende. Literatur und andere Künste können dabei einerseits von Entgrenzungsbegehren und –erfahrungen berichten und sich in ihren Gestaltungsmöglichkeiten darauf beziehen und zum anderen als Droge und Entgrenzungsmedium selbst in Erscheinung treten. Ausgehend vom Mythos des Dionysos werden wir uns zunächst mit einschlägigen Texten Platons („Symposion“ und „Phaidros“) beschäftigen; auch ein Blick auf Petrons „Gastmahl des Trimalchio“ („Satyricon“) dürfte nützlich sein. Angesichts der Fülle an weiteren Möglichkeiten werden wir dann für die neuzeitliche Literatur eine Auswahl der Schilderungen alkoholischer Exzesse vornehmen müssen (u.a. François Rabelais, E. T. A. Hoffmann, Edgar Allen Poe, Charles Baudelaire, Arthur Rimbaud, Flann O’Brien, Malcolm Lowry, Amos Tutuola, Jerzy Pilch, Viktor Slapovski, Jewgenij Jerofejev, Andrzej Stasiuk und Harry Rowohlt).
Literatur zur Einführung: Markus Bernauer, Mirko Gemmel (Hg.): Realitätsflucht und Erkenntnissucht. Alkohol und Literatur. Berlin 2014. Wolfgang Uwe Eckert: Sucht. In: Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 13. Stuttgart Weimar 2011, Sp. 11-18; W. Hermann Fahrenkrug (Hg.): Zur Sozialgeschichte des Alkohols in der Neuzeit Europas. Lausanne 1986 [= Drogalkohol 86/3)]; Hans Joas: Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz. Freiburg 2004; Alexander Kupfer (Hg.): Die künstlichen Paradiese. Rausch und Realität seit der Romantik. Ein Handbuch. Stuttgart Weimar 2006; Yvonne Pörzgen: Berauschte Zeit. Drogen in der russischen und polnischen Gegenwartsliteratur. Köln Weimar Wien 2008; Hasso Spode: Alkoholkonsum. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 1. Stuttgart Weimar 2005, Sp. 197-201; ders.: Die Macht der Trunkenheit. 2005. Gisela Völger, Karin von Welck (Hg.): Rausch und Realität. Drogen im Kulturvergleich. 3 Bde. Reinbek bei Hamburg 1981.
FKolloq.: Braucht jedes Land eine eigene Literatur?
Fallbeispiele und Studien zum Verhältnis von Nationalismus und Dichtung
Di 18-20
Der Entstehung, Evolution, ggf. auch Erfindung von Nationalliteraturen wollen wir in diesem Kolloquium anhand von Fallbeispielen aus Deutschland, Frankreich, Italien und Polen nachgehen. Wer braucht wann wozu eine „national“ konturierte Literatur/Dichtung und was soll dies überhaupt heißen? Ausgehend von Herders Konzeption der Wechselbeziehungen von Nationen, Völkern, National- und Welt-Kulturen (-literaturen) werden wir Konzepte der Weltliteratur bei Wieland und Goethe sowie die Rolle der Literatur beim Aufbau von Staaten in der Sicht Wilhelm von Humboldts erörtern. In diesem Rahmen sind dann vier Bezugspunkte auszuarbeiten, die ihrerseits sowohl als Bestimmungselemente einer länder- oder gesellschaftsspezifisch „eigenen“ Literatur identifiziert werden können als auch als Instrumente zur Untersuchung und ggf. kritischen Reflexion der entsprechenden Konzepte, Entwürfe und Programmumsetzungen dienen sollen: (1) Was ist eine Nation? (2) Wer oder was ist ein nationaler Autor? (3) Welche Funktion hat ein entsprechender Kanon und wie kommt er zustande? Schließlich (4) Wie werden Darstellungen nationaler Literaturen von wem und für wen begründet? Um dies zu konkretisieren, werden wir uns im Laufe des Seminars nicht nur mit Länderstudien beschäftigen, sondern auch einzelne als national repräsentativ diskutierte bzw. inszenierte Werke in Augenschein nehmen: Adam Mickiewicz‘ „Pan Tadeusz“ (1834), Goethes „Faust“ (1806), „I promessi sposi“ (1827) von Alessandro Manzoni und nicht zuletzt, und da fängt die Crux schon an, ein für die französische Nationalliteratur repräsentatives Werk, aber wie heißt es denn? Und was bedeutet es, wenn wir hier ins „Schwanken“ kommen (Michel de Montaigne)? Da es sich um ein Forschungskolloquium handelt, wird nicht nur ein großes Maß an Eigeninitiative seitens der TeilnehmerInnen erwartet, sondern es besteht auch die Gelegenheit, eigene Fragestellungen, Fallbeispiele und Länderstudien einzubringen.
Erste Literaturhinweise: Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt a.M. New York 1988; Helmut Berding (Hg.): Nationales Bewusstsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 2. Frankfurt a.M. 1994; Alfred Gall (Hg.): Romantik und Geschichte. Polnisches Paradigma, europäischer Kontext. Deutsch-polnische Perspektive. Wiesbaden 2007; Ernest Gellner: Nationalismus und Moderne. Berlin 1991; Bernhard Giesen (Hg.): Nationale Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 1. Frankfurt a.M. 1991; Bernhard Giesen: Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit. Frankfurt a. M. 1993; Katharina Grabbe, Sigrid G. Köhler, Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Das Imaginäre der Nation. Zur Persistenz einer politischen Kategorie in Literatur und Film. Bielefeld 2012; Renate von Heydebrand (Hg.): Kanon. Macht. Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildung. DFG Symposion 1996: Stuttgart Weimar 1998; Hubert Ivo: Volkssprache und Sprachnation. In: Diskussion Deutsch 114: Sprache – Nation -Identität (1990), S. 343-368; Otto W. Johnston: Der deutsche Nationalmythos. Ursprung eines politischen Programms. Stuttgart 1990; Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur. Reinbek bei Hamburg 2000; Iulia-Karin Patrut: Phantasma Nation. „Zigeuner“ und Juden als Grenzfiguren des „Deutschen“. Würzburg 2014; Ernest Renan: Was ist eine Nation? In: Michael Jeismann und Henning Ritter (Hg.): Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus. Leipzig 1993; Ulrike Christine Sander, Fritz Paul (Hg.): Muster und Funktionen kultureller Selbst- und Fremdwahrnehmung. Beiträge zur internationalen Geschichte der sprachlichen und literarischen Emanzipation. Göttingen 2000; Helmut Scheuer (Hg.): Dichter und ihre Nation. Frankfurt a.M. 1993; Udo Schöning (Hg.): Internationalität nationaler Literaturen. Göttingen 2000; Izabela Surynt, Marek Zybura (Hg.): Narrative des Nationalen. Deutsche und polnische Nationalitätsdiskurse im 19. und 20. Jahrhundert. Osnabrück 2010; Nils Werber: Die Geopolitik der Literatur. Eine Vermessung der medialen Weltordnung. München 2007.
Kolloq.: Für DoktorandInnen und ExamenskandidatInnen
O. u. Z. nach Vereinbarung
Sprechstunde im Semester Mi 12-13
WS 2014/15
VL: Literaturgeschichte Afrikas südlich der Sahara
Mi 8-10
Dass Afrika südlich der Sahara neben politischen Schlagzeilen auch zu kulturellen, künstlerischen und speziell literarischen Themenfeldern etwas beizutragen hat, ist spätestens seit den Nobelpreisen für Wole Soyinka (1986), Nadine Gordimer (1991) und J. M. Coetzee (2003) auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden; seit 2002 ist der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels. Dass es gleichwohl gerade für literarisch und literaturwissenschaftlich Interessierte noch viel zu entdecken, auch vieles zu diskutieren und zu erforschen gibt, gehört allerdings auch zu den Randbedingungen des hier angebotenen Seminars. Noch immer – und aktuell erneut einmal verstärkter – gilt die viel zitierte Bemerkung des Us-amerikanischen Geographen G. H. T. Kimble vom Beginn der 1960er Jahre: „Das Dunkelste an Afrika war schon immer unser Unwissen über diesen Kontinent.“ Ausgehend von der Kultur- und Kolonialgeschichte Afrikas wird die Vorlesung einen Überblick über die Geschichte seiner Literaturen bieten und dabei Fragen der Literaturtheorie: Wann beginnt „Literatur“? Wer ist ein Autor? ebenso ansprechen wie die nach den politischen und ggf. kritischen bzw. emanzipatorischen Funktionen literarischer Texte. Es versteht sich, dass dabei auch allgemeinere Fragen der Kolonialkritik (postcolonialism, coloniality, Eurozentrismus, westernization), des Rassismus und der Kulturpolitik/Kulturtheorie anzusprechen sind. Neben aktuellen Entwicklungen werden auch einige inzwischen klassische Texte (Ferdinand Oyono, Chinua Achebe, Camara Laye, Cheik Hamidou Kane und Wole Soyinka) vorgestellt, an denen sich dann auch Fragen des Kanons, der literarischen Wertung und der Literaturvermittlung und weitergehende Bildungsaspekte erörtern lassen.
Literatur zur Einführung: Simon Gikandi (Hrsg.): Encyclopedia of African literature. Routledge, London 2003; Janheinz Jahn: Geschichte der neoafrikanischen Literatur. Eine Einführung. Düsseldorf Köln 1966; Tibor Keszthelyi: Afrikanische Literatur. Versuch eines Überblicks. Berlin 1981; Almut Seiler-Dietrich: Die Literaturen Schwarzafrikas. Eine Einführung, München 1984; Gérard, Albert S. (Hg.): European-Language Writing in Sub-Saharan Africa, 2 Bde. Budapest 1986; Thomas Metscher: Moderne Weltliteratur und die Stimme Schwarzafrikas. Essen 2001; Christel N. Temple: Literary Spaces. Introduction to Comparative Black Literature. Durham, NC 2007; Walter P. Collins: Emerging African Voices. A study of contemporary African literature. Amherst, Mass. 2011; Werner Nell: Afrika. In: Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Stuttgart 2013, S. 70-75; diverse Überblicksdarstellungen zu den „Literaturen Afrikas“ in: Kritisches Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur, hg. von Heinz Ludwig Arnold, München 1978ff. (wird laufend aktualisiert).
S: Studien zu einer Literaturgeschichte des Teufels
Mi 10-12
Der Teufel, einerseits zunächst Chiffre für die Vorstellung und Erfahrung des radikal Bösen, in diesem Sinn namenlos und ungestaltet, ist zum anderen als „Herr der vielen Namen“, Durcheinander-Werfer (diabolos) und komische Person doch auch Gegenstand zahlreicher künstlerischer, philosophischer und religiöser Ausarbeitungen, volkskultureller Überlieferung und eben auch ästhetischer Reflexionen und literarischer Gestaltungen geworden. Als Gegen-Schöpfer und Versucher, aber auch als „komische“ Figur, Aufklärer und Anwalt der Gegen-Vernunft bezeugt er die grundlegende, ja abgründige Ambivalenz menschlicher Existenz und ihrer Schöpfungen, ebenso lässt er sich als Sonde und Werkzeug verstehen, um Diskurse der Macht zu befördern, ggf. aber auch zu thematisieren und anzugreifen. Nach einer Einführung in die kultur- und religionsgeschichtlichen Grundlagen anhand einiger auch literarisch bedeutsamer Auftritte des Teufels in der Bibel werden wir uns dann mit Texten von John Milton, Alain-René de Lesage, Jean Paul, Goethe, E. T. A. Hoffmann, Christian Dietrich Grabbe, Charles Baudelaire, Ambrose Bierce, Raymond Radiguet und Michail Bulgakov beschäftigen, ggf. können auch Filme, etwa Roman Polańskis: Rosemary‘s Baby (1968) oder Teufels-Adaptionen in der Populärkultur angesprochen werden.
Literatur zur Einführung: A. Schuller, W. von Rahden (Hg.): Die andere Kraft. Zur Renaissance des Bösen. Berlin 1993; Alfonso di Nola: Der Teufel. Wesen, Wirkung, Geschichte. München 1990; Robert Muchembled: Une histoire du diable. Paris 2000; Gustav Roskoff: Geschichte des Teufels. Eine kulturhistorische Satanologie von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert [1869]. Nördlingen 1987; Auguste F. Lecanu: Geschichte des Satans. Regensburg 1863 [Nachdruck 1997]. Zu einem ersten Einstieg: Volker Leppin: Teufelsglaube. In: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 13. Stuttgart 2011, Sp. 393-395 sowie die sehr informative Website:
http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/littheo/teufel/literatur/
S: Das Dorf in der Literatur des 19. Jahrhunderts
Di 14-16
Für viele Literaturliebhaber, Unterhaltungsmedien und auch das deutsche Lesebuch bilden die Dorfgeschichten des 19 Jahrhunderts vor allem einen Raum der Idylle, einen Gegenentwurf zur Unruhe und Mobilität der modernen Industriegesellschaft. Tatsächlich finden sich diese und andere Spannungen des Lebens in der Moderne aber auch in diesen Geschichten selbst wieder, so dass sie sich eher als Modellbildung bzw. Focus einer spezifischen Wahrnehmung und Problemstellung der Moderne verstehen lassen und weniger als Hinweise oder Relikte vergangener vermeintlich „besserer Zeiten“. Überdies handelt es sich auch bei dieser literarischen Gattung um eine spezifische Form künstlerischer Gestaltung sozialer Erfahrung, die in einer Richtung im Blick auf die historische Wirklichkeit und die Erfahrungen von Menschen unter diesen Umständen betrachtet werden kann, zum anderen aber auch vom Nutzen, von den Möglichkeiten und auch von den Grenzen literarisch-künstlerischen Schaffens zeugt. Überdies, auch dies eher Stand neuerer Forschungen, handelt es sich bei Dorfgeschichten keineswegs um eine spezifisch „deutsche“ Form der Literatur, sondern um eine Textsorte, die offensichtlich über all dort auftritt, wo die Übergänge von traditionellen zu modernen gesellschaftlichen Räumen in Erscheinung treten und somit auch deren poetische Gestaltung zur Erkundung ansteht. Im Rahmen des Seminars werden wir uns u.a. mit Texten von Jean Paul, Johann Peter Hebel, Honoré de Balzac, Gustave Flaubert, Berthold Auerbach, Gottfried Keller, Ivan Turgenev, Anton Tschechow und Karl Emil Franzos beschäftigen.
Erste Literaturhinweise: Bernd Spies: Dorfgeschichte. In: Handbuch der literarischen Gattungen, hg. von Dieter Lamping. Stuttgart 2009, S. 137-142; Martin Greiner: Dorfgeschichte. In: Kohlschmidt, Werner/Mohr, Wolfgang (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bd. 1, Berlin1958, S. 274-279; Uwe Baur: Dorfgeschichte. Zur Entstehung und gesellschaftlichen Funktion einer literarischen Gattung im Vormärz. München 1978; Jürgen Hein: Dorfgeschichte. Stuttgart 1976; Uwe Baur: Dorfgeschichte. In: Weimar, Klaus (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 1. Berlin/New York 1997, S. 390-392; Jörg Schönert: Berthold Auerbachs Schwarzwälder Dorfgeschichten der 40er und 50er Jahre als Beispiel eines ›literarischen Wandels‹? In: Titzmann, Michael (Hg.): Zwischen Goethezeit und Realismus. Wandel und Spezifik in der Phase des Biedermeier. Tübingen 2002, S. 331-343; Jürgen Lehmann: ›Bauernroman‹, ›Dorfgeschichte‹ und ›Dorfprosa‹. Anmerkungen zu Theorie und Geschichte, zu Formen und Funktionen der Landlebenliteratur. In: Danubiana Carpathica 5/52 (2011), S. 119-136; Michael Neumann, Markus Twellmann: Dorfgeschichten. Anthropologie und Weltliteratur. In: DVjS 88/1 (2014), S. 22-45.
Zum sozialgeschichtlichen Rahmen: Norbert Mecklenburg: Erzählte Provinz. Regionalismus und Moderne im Roman. Königstein/Ts. 1982; Wolfgang Lipp: Heimatbewegung, Regionalismus. Pfade aus der Moderne? In: Friedhelm Neidhardt u.a. (Hg.): Kultur und Gesellschaft. Opladen 1986, S. 331-355 (=KZSS Sonderheft 27);
Ernst Langthaler, Reinhard Sieder (Hg.): Über die Dörfer. Ländliche Lebenswelten in der Moderne. Wien 2000; Peter Wagner: Soziologie der Moderne. Frankfurt a. M. New York 1995; Anthony Giddens: Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a. M. 1995.
FKolloq.: Literarische Vermittler
Di 16-18
Im Zentrum des Seminars soll die Beschäftigung mit einigen Schriftstellern, Übersetzern und Journalisten, auch Wissenschaftlern, stehen, deren Schriften und öffentliches Auftreten im 19. Und 20. Jahrhundert als Brücke und ggf. Verbindung zwischen Nationen, Sprachgemeinschaften und darauf bezogenen literarischen Traditionen gewirkt haben oder wirken wollten. „… noch nie“, so der Mainzer Slavist Rainer Goldt im Frühsommer dieses Jahres, „hat gegenseitiges Verstehen Identität zerstört. Aber diese Angst ist gerade die Wurzel allen Übels.“ Im Gegenzug zu dem beträchtlichen Anteil literarisch und literarturwissenschaftlich Orientierter bei der jeweiligen „Erfindung“ bzw. imaginativen Erzeugung homogen gedachter Nationen (Benedict Anderson), und manchmal durchaus im Spannungsfeld dieser Vorstellungen selbst, geht es hier darum, Ansatzpunkte, Modellvorstellungen und Fallstudien zu erkunden, in denen jeweils konkrete Individuen als Vermittler, durchaus auch in Missverständnissen und kontraproduktiv, zur Vermittlung zwischen unterschiedlichen Nationalliteraturen und –kulturen beizutragen suchten. Wir werden uns dabei mit Christoph Martin Wieland, Mme. de Staël und Henry Crabb Robinson beschäftigen, des Weiteren mit Friedrich Sieburg und Walter Benjamin sowie mit Karl Dedecius und Jan Jȯzef Lipski. Schließlich wird es auch darum gehen, die Rollen und Möglichkeiten literarischer Vermittlung innerhalb aktueller theoretischer Ansätze der Translations-, Transfer- und eben auch Konfliktforschung zu erörtern und diese auf zeitgenössische Konfliktlagen und ggf. Versöhnungsprozesse zu beziehen.
Literatur zur Einführung: Jürgen Sieß (Hg.): Vermittler. Frankfurt a.M. 1981; Katharina Middell, Matthias Middell: Forschungen zum Kulturtransfer: Frankreich und Deutschland. In: Grenzgänge 1 (1994), S-. 107-122; Bernd Kortländer, Lothar Jordan (Hg.): Nationale Grenzen und internationaler Austausch. Studien zum Kultur- und Wissenschaftstransfer in Europa. Tübingen 1995; Michael Werner, Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtungen. Der Ansatz der ‚Histoire croisée’ und die Herausforderungen des Transnationalen. In: Geschichte und Gesellschaft 28/4 (2002), S. 607-636. Stefanie Stockhorst (Hg.): Cultural Transfer through Translation. Amsterdam New York 2010; Dževad Karahasan, Markus Jaroschka (Hg.): Poetik der Grenze. Über Grenzen sprechen – Literarische Brücken für Europa. Graz 2003: Ralf K. Wüstenberg: The Political Dimenson of Reconciliation. A theological approach. Grand Rapids/Michigan Cambridge U.K. 2009. [http://www.politische-bildung-brandenburg.de/publikationen/pdf/aufarbeitung_versoehnung.pdf].
Kolloq. für Doktoranden/ExamenskandidatInnen: O. u. Z. n. V.
SomS 2014
VL: Geschichte der Reiseliteratur im 18. Jahrhundert
Mi 8-10
Modul: Themen, Stoffe, Motive
Wer unter Reisen nicht nur gesuchte oder erzwungene Mobilität im Raum, sondern eine individuell gestaltete, im Rückbezug auf kulturelle Orientierungen und mit Hilfe zivilisatorischer Mittel unternommene Bewegung von Individuen mit eigenständig bestimmten Zielen versteht, wird – zumindest in einer Sichtweise auf die europäischen Entwicklungen – auf die Kulturgeschichte des Reisens im 18. Jahrhunderts verwiesen. Die für uns heute selbstverständliche Vorstellung eines individuell bestimmten, im Besonderen der Persönlichkeitsbildung, der Welterfahrung und auch „interkultureller Kompetenz“ (Joachim Matthes) dienenden Reisens nimmt hier ihren Ausgang. „Reisen … sollte“, so der Greifswalder Historiker Michael North, „nicht nur fachspezifischer Bildung dienen,… sondern der Schärfung des Verstandes und der Vermehrung der Erkenntnis, aber auch der Bildung des Herzens im Allgemeinen…“. Ansprüche und Impulse des Denkens und insbesondere des Menschenbildes der Aufklärung geben in dieser Bestimmung des Reisens als Bildungselement ebenso den Ton an wie das Reisen und zumal dessen literarische Ausarbeitung und ggf. poetisch-fiktionale Umgestaltung den Vorstellungen und Erwartungen eines adlig-bürgerlichen Lese-Publikums Rechnung zu tragen suchen. Wenn Reisen bis hin zu Eskapismus und Zivilisationsflucht auch aktuell noch immer im Wesentlichen in positiven Konnotationen erscheint, so knüpft dies an Themenfelder und Subjektvorstellungen an, die im Laufe des 18. Jahrhunderts wesentlich durch Reiseliteraturen gebildet und vermittelt wurden und in denen sich Grundzüge einer am Ende des Jahrhunderts sich abzeichnenden „bürgerlichen Kultur“ (Fridrich H. Tenbruck) wiederfinden lassen. Technik- und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklungen sind dabei für die Zunahme und Ausbreitung des Reisens, auch die damit verbundenen Erwartungen und deren literarische (auch in anderen Künsten fassbare) Ausarbeitung ebenso zu berücksichtigen wie kultur-, wissenschafts- und sozialgeschichtliche Befunde. Einer Ausdifferenzierung der Reiseanlässe und Reiseformen sowie einer Pluralisierung der Reisenden, ihrer Motive und Erfahrungen, entspricht eine entsprechende Vielfalt an Reiseschilderungen, deren literarische Umsetzung von Forschungs- bis zu Abenteuerreisen, von Bildungsreisen bis zu landeskundlichen Unternehmungen reicht und sich als Formen- und Gestaltungsvorrat in den Texten der „belles-lèttres“ in der ganzen Bandbreite bis zur Unterhaltungs- und Trivialliteratur wiederfinden lassen, nicht zuletzt in Entwürfen poetischer, fiktiver und in einem modernen Sinn auch phantastischer Reisen. Die Vorlesung wird dazu Rahmenbedingungen, Entwicklungslinien, Fallbeispiele und eine Reihe literarischer Texte aus den europäischen und überseeischen Literaturen vorstellen.
Literaturhinweise zur Einführung:
Hermann Bausinger, Klaus Beyrer, Gottfried Korff (Hg.): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. München: Beck 1991; Peter Brenner (Hg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989; Iwan-Michelangelo D’Aprile, Winfried Siebers: Das 18. Jahrhundert. Zeitalter der Aufklärung. Berlin: Akademie 2008; Ottmar Ette: Literatur in Bewegung. Raum und Dynamik grenzüberschreitenden Schreibens in Europa und Amerika. Weilerswist: Velbrück 2001; Hinrich Fink-Eitel: Die Philosophie und die Wilden. Über die Bedeutung des Fremden für die europäische Geistesgeschichte. Hamburg: Junius 1994; Hans-Wolf Jäger (Hg.): Europäisches Reisen im Zeitalter der Aufklärung. Heidelberg: Winter 1992; Michael North: Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung. Köln Weimar Wien: Böhlau 2003; Mary Louise Pratt: Imperials Eyes. Travel Writing and Transculturation. London: Routledge 1992; Hans Joachim Piechotta (Hg.): Reise und Utopie. Zur Literatur der Spätaufklärung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977; Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung. Stuttgart: Reclam 2000; Friedrich H. Tenbruck: Bürgerliche Kultur. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie uns Sozialpsychologie. Sonderheft 27 ( = Kultur und Gesellschaft, hrsg. von Friedhelm Neidhardt/M. Rainer Lepsius/Johannes Weiß), Opladen: Westdeutscher Verlag 1986, S. 263-285; Rudolph Vierhaus (Hg.): Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung. Heidelberg: Lambert Schneider 1981; Ralph-Rainer Wuthenow: Europäische Reiseliteratur im Zeitalter der Aufklärung. Frankfurt a. M.: Insel 1980.
S: Humor und Ethnizität
Di 14-16
Modul: Rezeption, Produktion, Translation und Transfer
Schon der alte Witz (mit sooo einem Bart): „Die drei dünnsten Bücher der Welt: englische Küche, italienische Heldentaten, deutscher Humor“ bindet völkerkundlich ausgerichtete Images und Spezifika witziger, ggf. humoristischer Gestaltung zusammen, um damit selbst eine mehr oder weniger „gelungene“ Bemerkung zu machen. Aber nicht nur Völkertafeln und Loci Communes-Sammlungen kennen seit dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit bereits die Zuordnung von Klima, Staatsordnung, Religion, Gesellschaftsform und Habitus-Formen zu einem vermeintlich eine ganze Bevölkerungsgruppe repräsentierenden Charakterbild, dessen Ausformung dann u. a. auch eine spezifische Art des Weltverhältnisses, der Selbstdarstellung und des Selbstverständnisses, ggf. in einer invertierten, subvertierten Form auch „Witz“, Verstand und ggf. Humor umfasst. Auch in späterer Zeit, im Alltag und zumal im Zuge einer anwachsendenden, dann sich auch pluralisierenden Medienentwicklung werden ethnische, kulturelle, politisch-kulturelle Charakteristika immer wieder auch zum Gegenstand, zum Medium, auch zum Aufhänger und Impulsgeber witziger, satirischer und humoristischer Bezüge und Konstruktionen. Wie alle anderen Hervorbringungen menschlicher Kultur sind diese Artefakte allerdings grundlegend ambivalent, können der Denunziation, der Diskriminierung und Verletzung von Menschen und Gruppen ebenso dienen wie der Verteidigung ihrer Würde und Integrität, der Selbstbehauptung und Abwehr von Übergriffen und Machtansprüchen, wohl aber auch ihrer Durchsetzung und kulturellen Unterfütterung. Subversion steht neben Propaganda, Rebellion neben Unterhaltung, Diskriminierung steht gegen Selbstermächtigung; nicht zuletzt geht es vielfach ums Geschäft. Das Seminar wird in diesem unübersichtlichen und zumal durch aktuelle soziale, kulturelle und mediale Entwicklungen (Migration, Populärkultur, Medienvielfalt) ebenso intensiv genutzten wie beforschten und durchaus kontrovers diskutierten Feld zunächst einmal Begriffe und Gattungsfragen zu klären haben und sich dann der Erkundung einiger Fallbeispielen („deutscher“ und „polnischer“ Humor, jüdischer Witz, Ethno-Comedies) zuwenden, wobei neben literarischen Quellen auch Filme, TV-Formate und Internetauftritte heranzuziehen sind.
Für eine erste, durchaus zum Thema passend „fragwürdige“ Orientierung siehe die website:
So lacht die Welt http://www.kinokarate.de/index.php?option=com_content&task=view&id=416&Itemid=99999999\fett{ }
Literaturhinweise:
Mahadev L. Apte: Humor and Laughter. An anthropological approach. Ithaca London: Cornell UP 1985; Helmut Bachmaier: Texte zur Theorie der Komik. Stuttgart: Reclam 2005; Peter Berger: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung. Berlin: de Gruyter 1998; Jan Bremmer, Hermann Roodenburg, Kai Brodersen: Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute. Darmstadt: Primus 1999; Christie Davies: Ethnic Humor around the World. A comparative analysis. Bloomington: Indiana UP1990; Henry Louis Gates: The Signifying Monkey. A theory of Afro-American literary criticism. New York: Oxford UP 1988; Geoffrey Hartman: Das beredte Schweigen der Literatur. Über das Unbehagen an der Kultur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1996; Dietmar Kamper, Christoph Wulf (Hg.): Lachen – Gelächter – Lächeln. Reflexionen in drei Spiegeln. Frankfurt a. M.: Syndikat 1986; Joseph Klatzmann, Thomas Schultz: Jüdischer Witz und Humor. München: Beck 2011; Darja Klingenberg: Zähne zeigen. Humor in der kritischen Migrationsforschung. In: Paul Mecheril u.a. (Hg.): Migrationsforschung als Kritik. Spielräume kritischer Migrationsforschung. Wiesbaden: Springer VS 2013, S. 209-225; Helga Kotthoff, Shpresa Jashari, Darja Klingenberg: Komik (in) der Migrationsgesellschaft. Konstanz: UVK 2013; Salcia Landmann: Der jüdische Witz. [1960] Ostfildern: Patmos 162011; Sharon Lockyer, Michael Pickering (Hg.): Beyond a Joke. The Limits of Humor. Houndmills Basingstoke: Pangrave Macmillan 2005; Chris Powell, George E. C. Paton (Hg.): Humor in Society. Resistance and Control. New York: Macmillan Press 1988; Wolfgang Preisendanz, Rainer Warning (Hg.): Das Komische. München: Fink 1976 (= Poetik und Hermeneutik VII); Werner Röcke, Hans Velten (Hg.): Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Berlin: de Gruyter 2005; Susanne Schäfer: Komik in Kultur und Kontext. München: iudicium 1996; Wolfgang Schmidt-Hidding: Humor und Witz, München: Hueber 1963 (=Europäische Schlüsselwörter 1); Waltraud (Wara) Wende (Hg.): Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008; Anton C. Zijderveld: Humor und Gesellschaft. Eine Soziologie des Humors und des Lachens. Graz Wien Köln: Böhlau 1976.
S: Moralistik und Mimesis in Gesellschaftsromanen des 19. Jahrhunderts: Stendhal – Trollope – Keller
Mi 10-12
Modul: Kulturelle Diskurse
Als Kollektivsingular, so die Beobachtung René Königs, tritt „die“ Gesellschaft erst um 1800 in Erscheinung und, da sie – einer populären Bemerkung Margaret Thatchers aus den 1980er Jahren folgend: „And, you know, there is no such thing as society“ (Interview mit M.T. 31.10.1987) – in ihrer Existenz offensichtlich auch empirisch nicht einfach fassbar, ggf. sogar ideologisch umstritten erscheint, mögen literarische und künstlerische Inszenierungen von Gesellschaft, so die im Seminar zu verfolgende Arbeitshypothese, als Anschauungs- und Vermittlungsräume, ggf. auch Simulationen und Projektionen dessen erscheinen, was alltagssprachlich und zumindest in den Selbstverortungen der Menschen seit dem 19. Jahrhundert als „die Gesellschaft“ erscheint. Die Fragestellung, die im Rahmen des Seminars anhand dreier Erzählwerke aus des 19. Jahrhunderts verfolgt werden soll, richtet sich also darauf, in welcher Weise in den darin entfalteten Erzählwelten Gesellschaftsbilder, die Erfahrungen des Gesellschaftlichen und die Selbstverortung von Menschen als Gesellschaftsmitgliedern erzeugt, geschildert und ggf. als Leitorientierung für ein Lesepublikum gestaltet und weitervermittelt, u. U. auch kritisch befragt oder in ironischer Brechung präsentiert werden. Bezogen auf die Betrachtung der Menschen werden dabei die Fragen der Moralistik nach der „Natur“ des Menschen, soweit sie sich in seinem „gesellig/ungeselligen“ Verhalten erkennen bzw. fassen lässt, zum Ausgang genommen, während hinsichtlich der Beschreibung gesellschaftlicher „Realität“ Erich Auerbachs „Mimesis“-Studien einen Anstoß bieten können. Im Mittelpunkt aber wird die Beschäftigung mit Stendhal: „Le Rouge et le Noir“ (1830), Anthony Trollope: „Barchester Towers“ (1857) sowie Gottfried Keller: „Die Leute von Seldwyla“ (1856/1860/1875) stehen, deren Lektüre und solide Kenntnis von den SeminarteilnehmerInnen erwartet werden.
Erste Hinweise zur Literatur:
Hans Adler (Hg.): Der deutsche soziale Roman des 18. und 19. Jahrhunderts. Darmstadt: WBG 1990 (=WdF 630); Clemens Albrecht: Geselligkeit, in: Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 4, Stuttgart: Metzler 2006, Sp. 674-680; Erich Auerbach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur [1946]. Tübingen: Francke 91994; Hans Peter Balmer: Philosophie der menschlichen Dinge. Die europäische Moralistik. Bern München: Francke 1981; Lewis Coser (Hg.): Sociology through Literature. An introductory reader. Engelwood Cliffs N.J.: Prentice Hall 1963; Peter Gay: Die Macht des Herzens. Das 19. Jahrhundert und die Erforschung des Ich,. München: O. Beck 1997; Thomas Kron, Uwe Schimank (Hg.): Die Gesellschaft der Literatur. Opladen: Budrich 2004; Helmut Kuzmics, Gerald Mozetić: Literatur als Soziologie. Zum Verhältnis von literarischer und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Konstanz: UVK 2003; Leo Löwenthal: Literatur und Gesellschaft, in: ders.: dass. Literatur in der Massengesellschaft. Neuwied Berlin: Luchterhand 1972, S. 244-274;Wolfgang Schmale: Gesellschaft, in: Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 4, Stuttgart: Metzler 2006, Sp. 680-706; Jürgen von Stackelberg: Französische Moralistik im europäischen Kontext. Darmstadt: WBG 1982.
FK: Komparatistik und Schule
Di 16-18
Forschungskolloquium. Arbeitsfelder der AVL
Tatsächlich wird es in diesem Seminar um die Ausarbeitung einer Forschungsfrage gehen; dies lässt sich schon daran erkennen, dass es zu der in Rede stehenden Thematik im deutschsprachigen Raum kaum Literatur und auch keine damit verbundene Diskussion gibt. Zu deutlich sind die Unterschiede (ggf. mehr „gefühlt“ als historisch oder von den Sachen her verifizierbar) der jeweiligen Fachgeschichten und Selbstverständnisse zwischen Komparatistik auf der einen und den sich etwa an den Berufsfeldern der Literatur-LehrerInnen orientierenden Nationalphilologien auf der anderen Seite, als dass sich hier gemeinsame oder eben interdisziplinär angelegte Arbeitsfelder bislang hätten ausbilden können. Immerhin hatte der Aachener Komparatist Hugo Dyserinck zu Anfang der 1970er Jahre die Aufgabe übernommen, für ein damals in Nordrhein-Westfalen auf den Weg zu bringendes Schulfach „Literaturwissenschaft“ ein Hand- bzw. Lehrbuch der Komparatistik zu schreiben (Dyserinck 1981: 7), aus dem dann – nachdem der diesem Projekt zugrunde liegende Plan einer Reform des Literaturunterrichts schnell wieder aufgegeben worden war – immerhin die 1977 erschienene „Einführung“ in das Fach „für“ Komparatisten wurde. Obwohl seitdem die Präsenz literarischer Texte unterschiedlichster Herkünfte durch Migration, gesellschaftliche Pluralisierung und die weltweite Ausbreitung von Nachrichtennetzen, eine Zunahme von Fremdsprachenkompetenzen und Übersetzungen sowie durch diverse andere Aspekte einer seit den 1980er Jahren prominent beobachteten Globalisierung zugenommen hat, nicht zuletzt die Vielfalt der Sprachen, Welten und Literaturen auch in den meisten Klassenzimmern (inzwischen auch in ländlichen Gebieten) Einzug gehalten hat, ist es bislang nicht dazu gekommen, Impulse komparatistischen Arbeitens in die Bereiche der Schulen und der Lehrerausbildung einzubringen bzw. eine gewisse Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Philologien und der Komparatistik auf dieser Ebene auf den Weg zu bringen. Während in Bereichen akademischer Lehre und Forschung durchaus Einführungen für einen breiteren Adressatenkreis (Damrosch 2009) sowie einschlägige Hand- und Lehrbücher (Zymner/Hölter 2013) vorliegen und es auch einige Ansätze eines interdisziplinären Austauschs gibt (Birus 1995; Danneberg/Vollhardt 1996; Wierlacher/Bogner 2003; Erhart 2004), scheint es für die Praxis in Lehreinrichtungen (von der Schule bis zur Erwachsenenbildung, im Bereich DaF und vergleichbaren Zusammenhängen) kaum Ansatzpunkte zu geben (immerhin Konstantinović 1979). Hier soll nun das Kolloquium ansetzen: Es gilt nach Ansatzpunkten, Themen, Fragstellungen, Texten und Modellen zu suchen, bzw. diese in der Hinsicht zu erkunden, ob und ggf. wie komparatistisches Wissen und entsprechende Orientierungen in schulischen Arbeitszusammenhängen aufgenommen und ggf. ausgearbeitet werden können. Als Ausgangspunkt bzw. Beispiel für eine solche weitergehende Arbeit könnte das im Jahr 2003 für die Oberstufe der Gymnasien herausgegebene „Lesebuch zu den deutsch-polnischen Literaturbeziehungen“ (Kneip/Mack 2003) herangezogen werden.
Das Kolloquium richtet sich an Lehramtsstudierende ebenso wie an KomparatistInnen, an Studierende im Bereich DaF und nicht zuletzt an all diejenigen, deren berufspraktische Orientierung noch ungewiss ist, ggf. aber eine Beteiligung an Literaturkursen nicht ausschließt. Erwartet wird die Bereitschaft, sich auf eigene Erkundungen (Lesebücher, Lehrbücher und Lehrpläne, Themen, Vergleichsmöglichkeiten und mögliche Gemeinsamkeiten, Handreichungen und Unterrichtsmaterialien) einzulassen und ggf. auch eigene Beispiele oder Modelle auszuarbeiten. Selbständigkeit und eigene Fragestellungen sind ausdrücklich willkommen.
Erste Literaturhinweise:
Hendrik Birus (Hg.): Germanistik und Komparatistik. DFG Symposion 1993. Stuttgart Weimar: Metzler 1995; David Damrosch: How to read world literature. Chichester U.K.: Wiley-Blackwell 2009; Lutz Danneberg, Friedrich Vollhardt (Hg.): Wie international ist die Literaturwissenschaft? Stuttgart Weimar: Metzler 1996; Hugo Dyserinck: Komparatistik. Eine Einführung. Bonn: Bouvier 21981; Walter Erhart (Hg.): Grenzen der Germanistik. Rephilologisierung oder Erweiterung? DFG Symposion 2003. Stuttgart Weimar: Metzler 2004; Matthias Kneip, Manfred Mack: Polnische Literatur und deutsch-polnische Literaturbeziehungen. Materialien und Kopiervorlagen für den Deutschunterricht. 10. - 13. Schuljahr. Mit Hör-CD. Berlin: Cornelsen 2003; Zoran Konstantinović: Weltliteratur. Strukturen, Modelle, Systeme. Freiburg Basel Wien: Herder 1979; Alois Wierlacher, Andrea Bogner (Hg.): Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart Weimar: Metzler 2003; Rüdiger Zymner, Achim Hölter (Hg.): Handbuch Komparatistik. Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis. Stuttgart Weimar: Metzler 2013;
Kolloq. für Doktoranden und Examenskandidaten O. u. Z. n. V.
WS 2013/2014
Lehrveranstaltungen im WS 2013/14
VL: Postcoloniale Theorien – postcoloniale Literaturen (Mi 8-10)
(Kulturelle Diskurse)
Entgegen dem Wortsinn setzen postcoloniale Erkundungen in literarischen und wissenschaftsbezogenen Texten nicht dort ein, wo der Kolonialismus endet. Vielmehr entzünden sich die damit verbundenen Reflexionen und Kritiken, und so auch die in diesen Zusammenhängen entstandenen literarischen Texte gerade an dem Umstand, dass die mit dem Kolonialismus verbundenen Erfahrungen der Ausbeutung und Abhängigkeit, der Missachtung und Entfremdung nicht mit seinem formalen Ende (durch das politisch-formale Unabhängigwerden früherer Kolonien) aufgehört haben, sondern weiterbestehen, sich in vielerlei Hinsicht sogar für viele Menschen dieser Erde verfestigen, weiter bestehen und zugleich aus den wahrnehmungsmustern der „Weltgesellschaft“ immer wieder herauszufallen drohen. Während der theoretische Zugang in diesem Sinne Impulse des Poststrukturalismus, und der emanzipatorischen Bewegungen, zumal der Frauenbewegung, aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit neueren historischen und sozialwissenschaftlichen Arbeitsansätzen und –feldern verbinden (z. B. in Studien zur „Globalen Interaktion“), spielen für das Zustandekommen und die Rezeption literarischer Texte zumal die Anregungen der Postmoderne, ebenso aber auch globalisierte Traditionsbezüge unterschiedlicher Gesellschaften, Sprachen und Kulturen eine wichtige Rolle. Ob sich hieraus eine neue Weltliteratur bzw. „Gobalkultur“ und damit auch ein neues Arbeitsfeld der Komparatistik ergibt, wird im Rahmen der Vorlesung zu diskutieren sein.
Literatur zur Einführung: Stuart Hall: Wann war „der Postkolonialismus“? Denken an der Grenze. In: Elisabeth Bronfen, Benjamin Marius, Therese Steffen (Hg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. Tübingen: Staufenburg 1997, S. 219-146; Maria do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript 2005; Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin; Post-Colonial Studies. The Key Concepts., London New York: Routledge 2000; Ina Kerner: Postkoloniale Theorien zur Einführung. Hamburg: Junius 2012.
Weitere Literatur: Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin: The Empire Writes Back. Theory and practice in post-colonial literatures. London New York: Routledge 1989, 22002; Sebastian Conrad, Shalini Randeria (Hg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. New York: Campus 2002; Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin (Hg.). The Post-Colonial Studies Reader. London New York: Routledge 22006; Julia Reuter, Paula-Irene Villa (Hg.): Postkoloniale Soziologie. Empirische Befunde, theoretische Anschlüsse, politische Intervention. Bielefeld: transcript 2009; Julia Reuter, Alexandra Karentzos (Hg.): Schlüsselwerke der Postcolonial Studies. Wiesbaden: VS 2012;
S: Selbstbeschreibung im Spiegel der Fremdbestimmung. Marginalität und autobiographisches Schreiben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
(Di 14-16)
(Vertiefungsmodul)
Jean-Jacques Rousseaus Autobiographie „Les Confessions“ (1782/1789) gibt den Ton an: Sich selbst unter den Leitvorstellungen der zeitgenössischen bürgerlich-adligen Kultur in den Bereichen Bildung, Religion, Ästhetik, aber auch Selbstbestimmung vorzustellen und diese Kriterien auf der Grundlage der eigenen Besonderheit und der in sie eingeflossenen Erfahrungen zugleich in Frage zu stellen, mitunter auch vorzuführen, beschreibt den Ausgangspunkt für die Arbeit des Seminars. Diese zielt darauf, anhand verschiedener Autobiographien von Angehörigen unterbürgerlicher Schichten oder anderer randständiger, ggf. diskriminierter Gruppen das Wechselverhältnis von Normalität und Marginalität, Subalternität und Dominanzkultur, Schweigen und Stimme in der literarischen Selbstinszenierung zu erkunden. Damit ist die Fragestellung verbunden, in welchem Maße das Schreiben aus marginaler Position nicht nur auf vorhandenen dominanzkulturelle Vorstellungen und literarische Verfahren angewiesen ist, um für ein eher gehobenes Lese-Publikum sichtbar zu werden, sondern auch, ob die damit herangezogenen Deutungsmuster, Moral- und Stil-Vorstellungen genutzt werden können, um marginale oder subalterne Erfahrungen, Lebensentwürfe Geltungsansprüche überhaupt zu Wort zu kommen zu lassen. Da sich Marginalität in einem Medium gestalten und behaupten muss, dass zunächst einmal dafür nicht geschaffen wurde, ist ferner zu fragen, welche Adaptions- und Assimilations-, ggf. auch Überanpassungsprozesse aufgeboten, wenn nicht gefordert oder intendiert werden, um in den vorgegebenen Anerkennungsmustern entweder die eigene Biographie und Identität sichtbar werden zu lassen oder aber diese parodistisch, subversiv oder kritisch gegen die vorherrschenden Normen ins Spiel zu bringen. Nach einer eingehenden Lektüre ausgewählter Kapitel aus Rousseaus Autobiographie werden im Seminar „Die Memoiren der Glikl von Hameln“ (1691/1719), Ulrich Bräker: „Lebensgeschichte und natürliche Ebenteuer des Armen Manns von Tockenburg (1788/89); Salomon Maimons Lebensgeschichte (1792/93), „The Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano or Gustavus Vassa the African“ 81794) sowie „Das Leben und die Schicksale des Magister Laukhard (1792-1802) zur Sprache kommen.
Literatur zur Einführung: Claudia Ulbrich u. a. (Hg.): Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven. Köln: Böhlau 2012; Henning Eckart: Selbstzeugnisse. Quellenwert und Quellenkritik. Berlin: Bibspider 2012; Linda Anderson: Autobiography. London: Routledge 2011; Martina Wagner-Edelhaaf: Autobiografie. Stuttgart: Metzler 22005; Ortrun Niethammer: Autobiographien von Frauen im 18. Jahrhundert. Tübingen Basel: Francke 2000;Günter Niggl (Hg.): Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung. Darmstadt: WBG 1989; Jürgen Lehmann: Bekennen, erzählen, berichten. Studien zu Theorie und Geschichte der Autobiographie. Tübingen: Niemeyer 1988; Helmut Pfotenhauer: Literarische Anthropologie. Selbstbiographien und ihre Geschichte am Leitfaden des Leibes. Stuttgart: Metzler 1987.
S: „On the Road“ – Geschichten vom Abhauen und Unterwegssein im 20. und 21. Jahrhundert (Mi 10-12)
(Arbeitsgebiete der AVL)
Zu den zehn „normalen Lebenstätigkeiten“, die Hartmut von Hentig in seinem 1996 erschienenen, vielbeachteten Essay „Bildung“ als Anlässe zum „Sich-Bilden“ nennt, wird als zehnte der „Aufbruch“ gezählt, eine Denkfigur und ein Verhaltensmuster, das in gewissem Sinn stabile Verhältnisse ebenso voraussetzt wie es ihnen entfliehen will. Aufbruch in die Fremde um sich zu bilden und ggf. selbst zu finden, später auch zu verlieren, gehört freilich seit den „Abenteuern des Télémaque“ (1698), spätestens aber seit Goethes „Wilhelm Meister“ (1796) zum Grundrepertoire nicht nur „gesteuerter“ bürgerlicher Bildung, sondern bietet auch für die Literatur Anlass und Rahmen für eskapistische Schilderungen von Menschen und Welterfahrungen, dann auch für ein eskapistisches Schreiben, das darauf ausgeht, in der Schreibform selbst (Kerouacs berühmte „Rolle“) ein Muster und Modell zu finden, das dem Unterwegssein Rechnung trägt und zugleich der Flüchtigkeit der Moderne selbst Ausdruck verleihen kann. Beginnend mit Eichendorffs „Taugenichts“ (1826) werden wir uns mit Texten und Filmen v. a. aus dem 20. und beginnenden 21. Jahrhundert beschäftigen, u. a. von Henri Alain-Fournier, J. D. Salinger, Jack Kerouac, Richard Fariña, Leon de Winter, Bob Dylan, Andrzej Stasiuk und Wolfgang Herrndorf; Filme u. a. von Agnès Varda, Wimm Wenders und Martin Scorcese.
Zur Einführung: Zygmunt Bauman: Flüchtige Zeiten. Leben in der Ungewissheit. Hamburg: Hamburger Edition 2008; ders.: Wir Lebenskünstler. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009; Hans Richard Brittnacher , Magnus Klaue (Hg.): Unterwegs. Zur Poetik des Vagabundentums im 20. Jahrhundert. Köln: Böhlau 2008.Vilém Flusser: Von der Freiheit des Migranten. Berlin: Bollmann 1994; Gert Sautermeister: Vom Werther zum Wanderer zwischen beiden Welten. Über die metaphysische Obdachlosigkeit bürgerlicher Jugend, in: Thomas Koebner, Frank Trommler (Hg.): „Mit uns zieht die neue Zeit“. Der Mythos Jugend. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985, S. 438-478.
Forschungskolloq.: Raum-Poetiken (Di 16-18)
Nachdem im Zuge der Postmoderne der Fortschritt und kurz nach den Systemumbrüchen in Osteuropa offensichtlich auch die Geschichte ganz abhanden gekommen waren, kehrten Zeit und Erzählung über die Attraktivität und den jeweiligen Deutungsbedarf des Raums, als sogenannter „spatial turn“ zu Beginn der 1990er Jahre wieder ins Bewusstsein, in die politischen Diskurse und so auch in die Literatur- und Kulturwissenschaften zurück. Ältere Raum-Konzepte, die zentral mit dem Anspruch der „Regierbarkeit“ (Michel Foucaults „gouvernementalité“) verbunden gewesen waren und sich im Blick auf Beherrschbarkeit, Überschaubarkeit, Aneignungs- und „Durchdringungsmöglichkeiten“ eines jeweils als gegeben vorausgesetzten Raumes strukturierten, waren bis dahin sowohl durch die politischen Kämpfe um Territorialansprüche (so noch immer der Bestseller Hans Grimms „Volk ohne Raum“ 1926) als auch durch die nach 1945 einsetzenden transnationalen Entwicklungen in ihren Geltungsansprüchen in Frage gestellt worden. Dem gegenüber hoben die neueren Raum-Konzepte, darin an die europäischen Avantgarden anknüpfend, von vorne herein den Konstruktionscharakter und die daran beteiligten Imaginationen, Projektionen, ideologischen und künstlerischen Anteile hervor. Das Forschungskolloquium wird sich zunächst mit einigen grundlegenden Texten zur poetischen Herstellung, Wahrnehmung und Vermittlung von Räumen beschäftigen und dann anhand ausgewählter Raumvorstellungen: Himmel und Hölle, Wüste und Polarkreis, Kosmos und Zimmer, Insel und Höhle, Paradies und Garten, literarische und andere künstlerische Gestaltungsbeispiele darauf hin untersuchen, in welchem Maße und Tragweite daran Raum-Poetiken abgelesen bzw. entwickelt werden können.
Literatur zur Einführung: Doris Bachmann-Medick: Spatial Turn, in: dies.: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek: Rowohlt 2006, S. 284; Michail Bachtin: Formen der Zeit im Roman. Untersuchungen zur historischen Poetik. Frankfurt a. M.: Fischer 1989; Jörg Dünne, Stefan Günzel (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006; Ottmar Ette: Literatur in Bewegung. Raum und Dynamik grenzüberschreitenden Schreibens in Europa und Amerika. Weilerswist: Velbrück 2001; Stefan Günzel (Hg.): Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart Weimar: Metzler 2010; Magdalena Marszalek, Susi K. Frank (Hg.): Geopoetiken. Geographische Entwürfe in den mittel- und osteuropäischen Literaturen. Berlin: Kadmos 2010; Jürgen Osterhammel: Die Wiederkehr des Raumes: Geopolitik, Geohistorie und historische Geographie, in: Neue Politische Literatur 43 (1998), S. 374-297; Alexander Ritter (Hg.): Landschaft und Raum in der Erzählkunst. Darmstadt: WBD 1975 (=WdF 418); Karl Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München Wien: Hanser 2003.
Eine Liste mit weiterer Literatur zu „Raum“ findet sich auf meiner Homepage:
http://nell.germanistik.uni-halle.de/materialien/.
SomS 2013
VL: Literatur und Kolonialismus (Mi 8-10)
Module: Kulturelle Diskurse, Literaturtheorie, Literaturgeschichte 17.-19. Jahrhundert
Dass die langen Schatten des europäischen Kolonialismus auch noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Rolle spielen, belegen Zeitungen und Abendnachrichten jeden Tag. Die Bandbreite kolonial geprägter Konflikte und Lebensverhältnisse reicht dabei vom Spanisch sprachigen Amerika bis Mali und Indien, von den „First Nations“ der kanadischen „Northern Territories“ („Nunavut“) bis zu den Küstenstädten der Republik von Südafrika und umfasst vor dem Hintergrund der um 1500 erneut einsetzenden europäischen Expansionsbewegungen zugleich die innereuropäischen Gesellschaften, zumal auch ihre kulturellen, wissenschaftsbezogenen und sozialen Wahrnehmungs- und (Selbst)-Interpretationsansätze. Anthropologie und Ethnologie sind von den als Kolonialsystem in Erscheinung tretenden Ungleichheits- und Machtverhältnissen ebenso geprägt wie Literatur und andere Künste, Gesellschaftsvorstellungen und nicht zuletzt Identitätszuschreibungen und „Normalitäts“-Ansprüche im Alltag. „Die Literatur Europas“, so pointiert der Bayreuther Romanist und Komparatist János Riesz, „ist die eines Kontinents von Kolonisatoren.“ Im Zentrum der Vorlesung werden drei Themenfelder stehen: Die Geschichte der von Europa ausgehenden Kolonisierung und die darauf bezogenen Reaktionsmuster (1), die legitimatorische und ggf. kritische theoretische Begleitung dieser Erfahrungen, deren Bandbreite von religiösen und geschichtsphilosophischen Entwürfen bis hin zu postkolonialer Theoriebildung reicht (2) und schließlich – nicht zuletzt – eine exemplarische Lektüre kolonialer, kolonialkritischer und postkolonialer literarischer Texte (3).
Literaturhinweise: Themenheft „Kolonialismus“. Aus Politik und Zeitgeschichte 62/44-45 (2012); Wolfgang Bader, János Riesz (Hg.): Literatur und Kolonialismus I: Die Verarbeitung der kolonialen Expansion in der europäischen Literatur. Frankfurt a. M.: P. Lang 1983; Frederick Cooper: Kolonialismus denken. Konzepte und Theorien in kritischer Perspektive. Frankfurt a. M. New York: Campus 2012; Ronald Daus: Die Erfindung des Kolonialismus. Wuppertal: P. Hammer 1983; Sven Halse (Hg.): Worte, Blicke, Träume. Beiträge zum deutschen Kolonialismus in Literatur, Fotografie und Ausbildung. Kopenhagen München: Fink 2007; Alexander Honold, Klaus R. Scherpe (Hg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit. Stuttgart: Metzler 2004; Paul Michael Lützeler: Postmoderne und postkoloniale deutschsprachige Literatur: Diskurs – Analyse – Kritik. Bielefeld: Aisthesis 2009; Jürgen Osterhammel, Jan C. Jansen: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen. München: Beck 2012; Wolfgang Reinhard: Kleine Geschichte des Kolonialismus. Stuttgart: Kröner 2008; Benedikt Stuchtey: Die europäische Expansion und ihre Feinde. Kolonialismus-Kritik von 18. bis zum 20. Jahrhundert. München: Oldenbourg 2010.
S: Ludwig Tieck und die „Weltliteratur“ (Mi 10-12)
Modul: Translation, Rezeption, Transfer
Ludwig Tieck (1773-1853) war nicht nur einer der produktivsten und über lange Zeit auch erfolgreichsten Schriftsteller der deutschen Romantik, sondern er ist in mehrfacher Hinsicht auch für komparatistische Fragestellungen von Interesse. Als literarischer Übersetzter (u.a . Shakespeare und Cervantes) und Literaturkritiker ebenso wie mit seinen literaturhistorischen Interessen (u.a. im Blick auf die deutsche Literatur des Mittelalters) und als marktbewusster Organisator im literarischen Feld bietet er eine Reihe von Ansatzpunkten für literaturhistorische, literaturtheoretische und literatursoziologische Fragestellungen, denen im Seminar anhand ausgewählter Werke und Textauszüge nachgegangen werden soll. Vor dem Hintergrund der sich nach 1800 abzeichnenden Konzeptualisierung von „Weltliteratur“, der eine weitere Phase transnationaler Literaturbeziehungen („Globalisierung“) korreliert, werden Fragen komparatistischer Übersetzungsforschung ebenso eine Rolle spielen wie die komparatistischen Arbeitsgebiete der Einfluss- und Rezeptionsforschung, die Funktion literarischer Vermittler und Aspekte des Kulturtransfers bzw. eines umfassenderen Translationsansatzes.
Werke: Ausgewählte kritische Schriften, hg. von Ernst Ribbat. Tübingen: Niemeyer 1975; Werke, hg. von Claus Friedrich Köpp, 2 Bde. Berlin Weimar: Aufbau 1985; Schriften, hg. von Manfred Frank u.a., 12 Bde. Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1985ff.
Literaturhinweise: Achim Hölter: Ludwig Tieck. Literaturgeschichte als Poesie. Heidelberg: Winter 1989; Achim Hölter: Frühe Romantik – frühe Komparatistik. Frankfurt a. M.: P. Lang 2001; Detlef Kremer: Die Prosa Ludwig Tiecks. Bielefeld: Aisthesis 2005; Robert Minder: Un poète romantique allemand. Ludwig Tieck (1773-1853). Paris 1936; Wolfgang Rath: Ludwig Tieck. Das vergessene Genie. Studien zu seinem Erzählwerk. Paderborn u.a.: Schöningh 1996; Klaus Rek: Das Dichterleben des Ludwig Tieck. Biographie. Berlin: UVA 1991; Wulf Segebrecht (Hg.): Ludwig Tieck. Darmstadt: WBG 1976 (WdF 386); Claudia Stockinger (Hg.): Ludwig Tieck. Leben, Werk, Wirkung. Berlin: de Gruyter 2011; Marianne Thalmann: Ludwig Tieck. Der romantische Weltmann aus Berlin. München: Lehnen 1955.
S: Schöne neue Dörfer – Über das Verschwinden und Wiederauferstehen des Ländlichen in Literatur und Film seit 1990 (Di 14-16)
Modul: Themen, Stoffe, Motive (MA, BA, LA)
Natürlich stellt die Stadt, zumal in ihrer Ausprägung als Metropole oder „global city“, noch immer ein für die Moderne kennzeichnendes Grundmodell des Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Organisation dar; auch in ihrer Funktion als kulturelles Kraftwerk und vielfältig nutzbares Bild- und Zeichenreservoir. Zu beobachten ist dies nicht zuletzt in der Literatur seit dem 18. und im Film zur „großen Stadt“ seit dem Beginn des 20. Jahrhundert. Dem wird (erkennbar nicht nur in der Popularität der seit den 1960er Jahren von Marshall McLuhan aufgebrachten Formel vom „global village“) im Bild des Dorfes zugleich aber auch ein Gegenentwurf gegenübergestellt, der in seinen Grundzügen – u.a. nahe, personale Kommunikation, überschaubare Umwelt, Naturnähe und weitgehend unreglementierte Möglichkeiten zur jeweiligen Entfaltung und Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse – inzwischen auch zum Maßstab oder gar Leitbild des großstädtischen Zusammenleben, ja überhaupt zur Vorstellung einer „gelingender Gesellschaft“ geworden ist (wie sich bspw. auch anhand neuer kulturellen Praktiken wie dem urban gardening zeigt). De facto zeugt freilich die historische Realität der Dörfer in Europa über lange Zeit hinweg nicht nur von Armut und Abhängigkeit, sondern ebenso von einer hohen sozialen Kontrolldichte. Auch kann angesichts der vorherrschenden Not und Überlebenszwänge von einem „modernen“ emphatischen Naturverhältnis gar keine Rede sein. In diesem Sinne spiegeln sich im Verhältnis von Dorf und Stadt und entsprechend auch in den Ambivalenzen des Dorfes nicht nur die spezifischen und klärungsbedürftigen Fragen eines Lebens unter den zwiespältigen Bedingungen der Moderne. Dabei sind es gerade die kulturellen – seien es literarische, seien es filmische – Konstruktionen und Rekonstruktionen des Dorfes, die für die Thematisierung und Reflexion anachronistischer, unzeitgemäßer und ungleichzeitiger Entwicklungen und Erscheinungen im Europa nach der Zeitenwende von 1989/90 ein vielfältig ausdifferenziertes Bildinventar entwickelt haben, das über eine rein auf Erinnerung bezogene Archivfunktion weit hinausreicht. Wobei gerade geopoetische Ansätze nicht nur eine Reflexion auf herkömmliche Kartographien, sondern auch engagierte Entwürfe einer literarischen Neuvermessung des neuen alten Europas bieten, in denen die Frage nach dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie, Kapitalismus und Kommunismus, Ost und West in verschiedenen Varianten durchgespielt wird. Dabei scheint die literarische Neuschreibung und Neugestaltung des Ländlichen umso stärker hervorzutreten, je weniger sich dieses als reale Siedlungs- und Sozialform gegenüber den Tendenzen der Verstädterung bzw. der Egalisierung und Entdifferenzierung zu behaupten vermag: Die imaginative Wiederauferstehung des Dorfes mitsamt der damit einhergehenden neuen „Landlust“ geht einher mit dem Aussterben ganzer ruraler Landstriche. Den damit verbundenen Fragestellungen und Spuren wird das Seminar anhand von Filmen und Texten, die sich vornehmlich auf Dorfbilder in den zeitgenössischen deutschsprachigen und mittel- und osteuropäischen Literaturen beziehen, nachgehen. Texte u.a. von Andrzej Stasiuk, Olga Tokarska, Anna Bolecka, Artur Becker, Terézia Mora, Jonathan Safran Foer, Vladimir Sorokin, Peter Handke, Andreas Maier, Arnold Stadler, Moritz Rinke, Herta Müller, Juri Andruchowytsch; Filme von J. Kusz, E. Reitz und Béla Tarr.
Literaturhinweise: Stefan Beetz: Dörfer in Bewegung. Ein Jahrhundert sozialer Wandel und räumliche Mobilität in einer ostdeutschen ländlichen Region. Hamburg: Krämer 2004; Gunter Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter (Hg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld: transcript 2007; Peter Laslett: Verlorene Lebenswelten. Geschichte der vorindustriellen Gesellschaft. Wien Köln Graz: Böhlau 1987; Magdalena Marszałek, Sylvia Sasse (Hg.): Geopoetiken. Geographische Entwürfe in den mittel- und osteuropäischen Literaturen. Berlin: Kadmos 2010; Katharina Raabe, Monika Sznajderman: Last and Lost. Ein Atlas des verschwindenden Europa. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006; Roland Robertson: Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit. In: Ulrich Beck (Hg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998, S. 192-220; Thomas E. Schmidt: Heimat. Leichtigkeit und Last des Herkommens. Berlin: Aufbau 1999; Werner Troßbach: Dorf. In: Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 3. Stuttgart: Metzler 2005, Sp. 1087-1094; Christoph Türcke: Heimat. Eine Rehabilitierung. Springe: zu Klampen 2006; Rüdiger Wischenbart: Karparten. Die dunkle Seite Europas. Wien: Kremayr & Scheriau 1992.
Kolloq.: Moralistik und Sozialkritik: Leo Löwenthal und Albert Salomon (Di 16-18)
Modul: Forschungskolloq., LAG
Im Zentrum des Forschungskolloquiums wird das Verhältnis von Literatur und Gesellschaft stehen, wobei ein Zugang über die Moralistik eher in Richtung Kulturgeschichte bzw. anthropologischer Fragestellungen zielt, während über die Frage der Sozialkritik deutlicher Gesellschaftsbezüge und Aspekte spezifisch moderner, ja ggf. auch postmoderner Vergesellschaftung in den Blick genommen werden können. Dazu weisen die Lebensläufe, Werkbiographien und Arbeitsansätze Leo Löwenthals (1900-1993) und Albert Salomons (1891-1966) nicht nur bemerkenswerte Parallelen auf und bieten damit einen Zugang sowohl zur politischen Kultur und Bildungsgeschichte der deutschen Gesellschaft vor 1933 als auch zu einer ersten praxis- und handlungsbezogenen Phase sozialwissenschaftlicher Forschung und Lehre in den Jahren nach 1918. Vielmehr sind es dann die Erfahrungen der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Verbrechen, die Löwenthal und Salomon nicht nur zur Emigration und ins nordamerikanische Exil zwingen, sondern eine damit verbundenen Suche nach Erklärungen und Deutungsmöglichkeiten, nach Alternativen und Gegenmitteln zu totalitärer Gewaltherrschaft und Massenmord, eine Art Bilanzierung der bisherigen Geschichte von Bildung und Kultur nahelegen. Während sich Salomon dazu an die Ausarbeitung eines an die humanistische Tradition anschließenden skeptisch getönten und zugleich auf Freiheit und Gerechtigkeit zielenden Bildungsprogramms macht, für das er namentlich Literatur- und Geistesgeschichte heranzuziehen sucht, wendet sich Löwenthal der Analyse der Massenkultur und der Rekonstruktion eines spezifisch durch bürgerliche Literatur und eine daran entwickelte, darauf bezogene „kritische Theorie“ vermittelten Kultur- und Bildungs-Konzepts zu. Maßgeblich kommen für beide Traditions- und Rückbezüge auf jüdische Überlieferungen und jüdische Erfahrung unter den Bedingungen eines modernen Rasse-Antisemitismus hinzu. Treten in Löwenthals Studien deutlicher soziale Prozesse (Marktvermittlung, Warencharakter, Entfremdung) im Umgang mit Kunst und Kultur in den Blick, so heben Salomons Untersuchungen zur politischen Philosophie und zur Tradition humanistischer Gelehrsamkeit (von Erasmus über Goethe bis zu de Tocqueville und Max Weber) stärker die Rolle literarischer und anderer künstlerischer Gebilde hervor, wenn es darum geht, die Möglichkeiten eines reflexiv und selbstkritischen Subjekts unter den Bedingungen der Moderne zu bestimmen. Diesen Fragen wird im Kolloquium anhand einer gemeinsam mit den TeilnehmerInnen festzulegenden Textauswahl nachzugehen sein.
Zur Einführung: Leo Löwenthal: Mitmachen wollte ich nie. Ein autobiographisches Gespräch mit Helmut Dubiel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980; Albert Salomon: Im Schatten einer endlosen großen Zeit. In: Albert Salomon Werke Band 1. Hg. von Peter Gostmann und Gerhard Wagner. Wiesbaden: VS 2008, S. 13-29.
Werke: Albert Salomon: Werke. 5 Bde. Hg. von Peter Gostmann u. a. Wiesbaden: VS 2008 ff. [ Bde. I-III sind in der ULB als Online-Ressource vorhanden, Bde. IV/V sind noch nicht erschienen]. Leo Löwenthal: Schriften. Hg. von Helmut Dubiel. 5 Bde. Frankfurt a.M. Suhrkamp 1981.
Weitere Literatur: Soziologie in Deutschland und Österreich 1918-1945. Materialien zur Entwicklung, Emigration und Wirkungsgeschichte. Hg. von M. Rainer Lepsius. Opladen: Westdeutscher Verlag 1981 (= KZSS Sonderheft 23/1981); Alvin Johnson: Pioneer’s Progress. An autobiography. Univ. of Nebraska Press 1960; Martin Jay: Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung 1923-1950. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1976; Claudius Härpfer: Humanismus als Lebensform. Albert Salomon und die Verklärung der Realität. Wiesbaden: VS 2009; Peter Gostmann, Claudius Härpfer (Hg.): Verlassene Stufen der Reflexion. Albert Salomon und die Aufklärung der Soziologie. Wiesbaden: VS 2011; Hans Peter Balmer: Philosophie der menschlichen Dinge. Die europäische Moralistik. Bern München: Francke 1981; Jürgen von Stackelberg: Französische Moralistik im europäischen Kontext. Darmstadt: WBG 1982.
Kolloquium für Doktoranden und Examenskandidaten: O. u. Z. n. V.
WS 2012/2013
VL: Die deutsche Literatur aus komparatistischer Perspektive II:
Die Jahre 1959 bis 1989
Mi 8-10
Modul: IKEAS, Interkulturelle Deutschlandstudien
Die Vorlesung stellt die Fortsetzung des im vorausliegenden Sommersemester gehaltenen ersten Teils dar, kann aber auch ohne deren Vorlauf belegt werden. Im Rückblick auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen die 1960er Jahre für die Gesellschaft, die Kultur und Literatur der beiden deutschen Staaten so etwas wie eine Phase der Konsolidierung, zugleich aber auch des Umbruchs und einer damit in Erscheinung tretenden fortschreitenden, auf Dauer gestellten Modernisierung, auch Unruhe und teils erwünschter, teils erzwungener Reflexionstätigkeit dar, auf die - unter den sich verändernden Rahmenbedingungen weitergehender Globalisierung - beide Systeme durchaus auch unterschiedlich reagieren: Planungsutopien und Kritik, Reformanstrengungen und Kräfte der Beharrung, Individualisierung und neue Gruppenbildungen stehen einander gegenüber und werden von den 1970er Jahren an zunehmend in die Kraftfelder beschleunigten technischen, vor allem auch medialen Wandels, weitergehende Prozesse gesellschaftlicher Pluralisierung und Mobilität, auch wachsender Ansprüche auf eigenwillige Lebensführung, Erlebnisorientierung und Partizipationschancen einbezogen. Literatur nimmt an diesen Prozessen in Teil, nicht zuletzt mit dem Anspruch verbunden, Stellungnahme und Kritik, Deutungsmuster und Gegenwelt-Entwürfe bieten zu können, die ihrerseits zwischen Affirmation und Kritiken oszillieren und zugleich in einem weltweit ausgerichteten „Nachrichten- und Handelsverkehr“ (Goethe) ein weiteres Gut, ein weiteres Produkt darstellen.
Deutlich absehbar, dass unter diesen Vorgaben, literarische Texte in übergreifenden Zusammenhängen erfasst werden müssen; diesen Versuch unternimmt die angezeigte Vorlesung.
Literatur zur Einführung: Volker Weidermann: Lichtjahre. Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2006; Peter J. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte. Vom „Ackermann“ bis zu Günter Grass. Berlin New York: de Gruyter 32011; Dieter Hoffmann: Arbeitsbuch deutschsprachige Prosa seit 1945. 2 Bde. Tübingen: Narr Francke 2006; Otto Karl Werckmeister: Zitadellenkultur. Die schöne Kunst des Untergangs in der Kultur der achtziger Jahre. München Wien: Hanser 1989; Axel Schildt: Ankunft im Westen. Ein Essay zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik. Frankfurt a. M.: Fischer 1999; Werner Faulstich (Hg.): Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Kultur der sechziger Jahre. Paderborn: Fink 2003; Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart: Klett-Cotta 2006; Norbert Frei: 1968. Jugendrevolte und globaler Protest. München: dtv 2008; ders. (Hg.): Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Kultur der siebziger Jahre. Paderborn: Fink: 2004; ders. (Hg.): Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Kultur der achtziger Jahre. München: Fink 2005; Klaus Wagenbach (Hg.): Lesebuch. Deutsche Literatur der sechziger Jahre. Berlin: Wagenbach 1968; Christoph Buchwald und Klaus Wagenbach (Hg.): Lesebuch. Deutsche Literatur der siebziger Jahre. Berlin: Wagenbach 1984
S: Lyrik und Erzählungen der europäischen und nordamerikanischen
Romantik
Modul: Kulturelle Diskurse
Mi 10-12
Gegenüber Aufklärung und Realismus erscheint die – epochengeschichtlich – in der Regel dazwischen verortete Romantik, keineswegs nur eine „deutsche Affäre“ (Rüdiger Safranski), zunächst als Versuch, der Gegenwart sich abzeichnender moderner Gesellschaften durch eine Rekurs auf ältere Zeiten., phantastische Verhältnisse und Innenwelten zu entkommen, als eine Form, Räume der Flucht, des Trost und ggf. der Revolte zu erschließen, die auf die Gewinnung von Autonomie und Unversehrtheit, auf Entgrenzung zielen und Funktionsentlastung versprechen. Zugleich aber, so zeigt es die neuere Romantik-Forschung ebenso wie die Texte, stellen sie aber auch ein Feld der Reflexion, der Reaktion auf und der Konstruktion von Modernititätserfahrungen selbst dar, das im Rahmen der Seminararbeit an Texten von Jean Paul und E.,T.A. Hoffmann, Wilhelm Hauf, Ludwig Tieck und Clemens von Brentano, François-René de Chateaubriand, Auguste de Villiers de L’Isle-Adam, Washington Irving und Edgar Allen Poe nachgegangen werden soll.
Literatur zur Einführung: René Wellek: The Concept of Romanticism in Literary History. In: ders.: Concepts of Criticism. New Haven London: Yale Up 1963, S. 128-98; Silvio Vietta: Die literarische Moderne. Eine problemgeschichtliche Darstellung der deutschsprachigen Literatur von Hölderlin bis Thomas Bernhard. Stuttgart: Metzler 1992; Hartmut Steinecke (Hg.): E. T. A. Hoffmann. Deutsche Romantik im europäischen Kontext. Berlin: E. Schmidt 1993 (= E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 1); Cornelia Klinger: Flucht. Trost. Revolte. Die Moderne und ihre ästhetischen Gegenwelten. München Wien 1995; Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Aktualität der Romantik. München1999 (=Text und Kritik 143; VII/99); Helmut Schanze (Hg.): Romantik-Handbuch. Kröner 22003; Isaiah Berlin: Die Wurzeln der Romantik. Berlin: Berlin Verlag 2004; Alexander von Bormann (Hg.): Ungleichzeitigkeiten der europäischen Romantik. Würzburg: Königshausen & Neumann 2006; Rüdiger Safranski. Romantik. Eine deutsche Affäre. München: Hanser 2007; Detlef Kremer: Romantik. Stuttgart Weimar: Metzler 32007; Bernd Auerochs, Dirk von Petersdorff (Hg.): Einheit der Romantik? Zur Transformation frühromantischer Konzepte im 19. Jahrhundert. Paderborn u. a.: Schöningh 2009;
S: Hybridität und Diaspora im Schatten der Erinnerung. Literatur
jüdischer, deutscher und türkischer Autoren am Ende des 20.
Jahrhunderts
Modul: Vertiefungsmodul: Literatur, Poetologie, Ästhetik
Di 14-16
Natürlich ist schon die Reihung der im Untertitel aufgeführten Attribute schief und bezeichnet so auch bereits jene Fragwürdigkeit und jenen Problemzusammenhang, die entstehen, wenn literarische Texte, Autoren, Themen und Stile über Kollektivbezeichnungen angesprochen werden und sich ggf. im Rückbezug auf diese erschließen lassen sollen. Ausgehend von einigen frühen Erzählungen von Philip Roth, die dieser in seinem Erzählband „Goodbye Columbus and five Short stories“ [1959]. New York: Vintage 1993 veröffentlicht hat, soll das Seminar der Fragestellung des Umgangs mit historischer Erinnerung und individuellem Selbstverständnis anhand einiger Romane und Erzählungen nachgehen, um hieran zum einen die Bedeutung, die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung von Erinnerung und Identität in literarischen Texten zu erkunden, zum anderen nach Gefährdungen durch rekursive Selbst-Legitimation, ideologische Überhöhung und funktionale Zurichtung zu fragen. In welchem Maße literarische Texte sich diesen Problemen stellen, sie ggf. auch lösen können, mag dann auch zu einer Diskussion über die Möglichkeiten literarischer Wertung und den „Nutzen“ der Literatur weitergeführt werden können. Historische Erfahrungen, individuelle und kollektive Deutungsmuster, übergreifende Narrationen und hybride Texte bilden hierzu ein Stoff- und Gestaltungsreservoir, dessen aktuelle Ausprägungen anhand einiger literarischer Texte (u. a. von Jonathan Safran Foer, Patrick Modiano, Zafer Şenozak, Orhan Pamuk, Doron Rabinovici und Shalom Auslander) erkundet werden sollen.
Literatur zur Einführung: Michael A. Meyer: Jüdische Identität in der Moderne. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag 1992; Gershon Shaked: Die Macht der Identität. Essays über jüdische Schriftsteller. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag 1992; Leon Wieseltier: Against Identity. New York 1996; Mecheril, Paul: Prekäre Verhältnisse. Über natio-ethno-kulturelle (Mehrfach-)Zugehörigkeit. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann 2003; Geoffrey Hartman: Das beredte Schweigen der Literatur. Über das Unbehagen an der Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000; Anthony D. Kauders: Unmögliche Heimat. Eine deutsch-jüdische Geschichte der Bundesrepublik. München: DVA 2007; Y. Michal Bodemann, Gökçe Yurdakul, : Deutsche Türken, jüdische Narrative und Fremdenangst: Strategien der Anerkennung. In: Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Hrsg. von Thorsten Gerald Schneiders. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 209-237; Y. Michal Bodemann, Micha Brumlik (Hg.): Juden in Deutschland – Deutschland in den Juden. Göttingen: Wallstein 2010; Terkessidis, Mark: Vertretung, Darstellung, Vorstellung. Der Kampf der Migranten um Repräsentation. In Transversal. Cultura migrans 10, 2000. Zit. http://eipcp.net/diskurs/d02/text/terkessidis01.html [Zugriff am 08.01.2011].
FKolloq: Arbeitsansätze der Komparatistik
Di 16-18
Modul: Theorie, Arbeitsfelder, Geschichte der AVL
Wenn auch nicht unumstritten gültig, bilden doch die im 19. Jahrhundert bereits aufgestellten Ansprüche an ein wissenschaftliches Selbstverständnis: ein eigener Gegenstand, eine entsprechende Fragestellung und eine dazugehörige Methodik/Methodologie auch heute noch ein Bezugsfeld, das zur Konstitution und Reflexion eines wissenschaftsbezogenen Arbeitens herangezogen werden kann. In diesem Zusammenhang stellen „Arbeitsansätze“ so etwas wie Schreibtische, Werkbänke, ggf. auch Fabrikhallen oder Laboratorien dar, auf bzw. in denen Fragestellungen erarbeitet und mit Bezug auf bestimmte Instrumente und Themenfelder und Stoffe ausgearbeitet bzw. bearbeitet werden können. Im Rahmen des Seminars sollen bekannte und neuere Ansätze vorgestellt und anhand eines ebenso bekannten wie immer wieder aufgenommen Textcorpus: Homers „Illias“ und „Odyssee“ in ihren Möglichkeiten erkundet werden; die Spannweite des Bogens reicht dabei von der Mittelmeerwelt der frühen (europäischen) Antike bis hin karibischen Inselwelt Derek Walcotts und Édouard Glissants.
Literaturhinweise: Marius-François Guyard: La Littérature Comparée. Paris: Presses Universitaires de France 1951; Ulrich Weisstein: Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1968; Gerhard Ziegengeist: Aktuelle Probleme der vergleichenden Literaturforschung. Berlin: Akademie 1968; Hans Norbert Fügen (Hg.): Vergleichende Literaturwissenschaft. Düsseldorf Wien: Econ 1973; Gerhard R. Kaiser: Einführung in die vergleichende Literaturwissenschaft. Darmstadt: WBG 1980; Manfred Schmeling (Hg.): Vergleichende Literaturwissenschaft. Theorie und Praxis. Wiesbaden: Athenaion 1981; Hugo Dyserinck: Komparatistik. Eine Einführung. Bonn: Bouvier 1981; Ernst Grabovszki: Methoden und Modelle der deutschen, französischen und amerikanischen Sozialgeschichte als Herausforderung für die Vergleichende Literaturwissenschaft. Amsterdam New York: Rodopi 2002; Peter V. Zima: Komparatistik. Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. Tübingen: Francke 1992; Angelika Corbineau-Hoffmann: Einführung in die Komparatistik. Berlin: E. Schmidt 22004; David Damrosch: Teaching World Literature. New York: Modern Language Association of America 2009.
SomS 2012
VL: Die deutsche Literatur 1945-1959 aus komparatistischer Perspektive
Mi 8-10
Module: Literarische und Kulturelle Diskurse; Themen, Stoffe und Motive; Interkulturelle Deutschlandstudien
Nach der Nazi-Barbarei stellte sich die kulturelle Situation des Jahres 1945 sicherlich für viele zunächst als Leerstelle dar, die, wenn überhaupt, nur im Rückbezug auf die literarischen und geistigen Strömungen und Entwicklungen des Auslandes wieder gefüllt werden konnte. Anderseits, und dies ist v. a. durch die Forschung der letzten Jahrzehnte noch einmal deutlicher geworden, gab es neben dem Bruch auch Kontinuitäten, sei es auf der Suche nach Anknüpfungsmöglichkeiten in der älteren deutschen Literatur, die dabei als Teil eines gemeinsamen europäischen Erbes, das sich bis in die Antike zurückverfolgen ließ und darüber hinaus noch in spezifisch christlicher Tönung gesehen werden konnte, sei es dass auf die unmittelbareren Anschlüsse an die Zeit zwischen Weltkriegen, die europäischen Avantgardebewegungen oder auch die „große“ realistische Literatur des 19. Jahrhunderts Bezug genommen wurde.
Die Vorlesung bietet eine Einführung in die europäische Literaturgeschichte nach 1945, innerhalb deren dann der Entwicklung der deutschsprachigen Literatur in besonderes Augenmerk zukommt, nicht zuletzt dadurch, dass die deutsche Nachkriegsliteratur im Laufe der Jahre auch erneut außerhalb Deutschlands Beachtung fand.
Literatur zur Einführung: Volker Weidermann: Lichtjahre. Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2006; Peter J. Brenner: Neue deutsche Literaturgeschichte. Vom „Ackermann“ bis zu Günter Grass. Berlin New York: de Gruyter 32011; Dieter Hoffmann: Arbeitsbuch deutschsprachige Prosa seit 1945. 2 Bde. Tübingen: Narr Francke 2006; Helmut Böttiger u. a.: Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland. 2 Bde. Göttingen: Wallstein 2009; Klaus Wagenbach (Hg.): Lesebuch. Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1959. Berlin: Wagenbach 1980; Carsten Gansel (Hg.): Gedächtnis und Literatur in den ‚geschlossenen Gesellschaften‘ des Real-Sozialismus zwischen 1945 und 1989. Göttingen: V & R Unipress 2007; Carsten Gansel, Paweł Zimniak (Hg.): Reden und Schweigen in der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Fallstudien. Wrocław Dresden: Neisse 2006.
S: Wielands Antike-Rezeption
Mi 10-12
Module: Rezeption, Transfer, Translation
Christoph Martin Wieland (1733-1813) stand lange Zeit und mitunter noch immer im Schatten der zeitgenössischen Weimarer Klassik, zu der er schließlich nicht nur auch gehörte, sondern zu deren Profil „als Klassik“ er gerade durch seine Vertrautheit mit der griechisch-römischen Antike wesentlich beitrug. Zudem war er von Beruf „Prinzen-Erzieher“, im Zeitalter der Französischen Revolution sicherlich zum einen ein anachronistisches Betätigungsfeld, dem aber zum anderen gerade in der deutschen Literatur und Bildungsdiskussion damals und auch später noch erhebliche Erwartungen entgegen gebracht wurden. Welche Rolle dabei der Rückbezug auf antike Literaturen, Autoren und Lebensmodelle gespielt hat und in welchem Sinne sich von Wieland aus Anschlüsse auch kritische Positionen im Blick auf aktuelle Werte- und Bildungsdiskussionen bestimmen lassen, wird im Mittelpunkt des Seminars stehen. Neben einigen seiner kleineren Arbeiten, die im Arbeitsprogramm spezifiziert werden, das zu Semesterbeginn vorliegt, und einem Blick auf den Übersetzter Wieland werden mit den Romanen bzw. Romanfragmenten „Die Abderiten“ (1774-1780), „Geheime Geschichte des Philosophen Peregrinus Proteus“ (1791) und „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“ (1800/1801) die drei neben dem „Agathon“ wichtigsten Prosawerke aus Wielands Antike-Rezeption zur Sprache kommen. Natürlich werden in diesem Zusammenhang auch allgemeinere Fragend der Rezeptions-, Übersetzungs- und Transferforschung eine Rolle spielen.
Literatur zur Einführung: Michael Zaremba: Christoph Martin Wieland. Aufklärer und Poet. Eine Biographie. Köln Weimar Wien: Böhlau 2007; Cornelius Sommer: Christoph Martin Wieland. Stuttgart: Slg. Metzler 1971; Friedrich Sengle: Wieland. Stuttgart: Metzler 1949; Thomas Höhle (Hg.): Wieland-Kolloquium (Halberstadt 1983). Halle 1985; Christoph MartinWieland und die Antike. Eine Aufsatzsammlung. Stendal 1986 (Beiträge der Winckelmann-Gesellschaft 14); Sven-Aage Jørgensen u.a.: Wieland. Epoche – Werk – Wirkung. München: Beck 1994; Klaus Schaefer: Christoph Martin Wieland. Stuttgart: Slg. Metzler 1996; Volker Riedel: Antikerezeption in der deutschen Literatur vom Renaissance-Humanismus bis zur Gegenwart. Eine Einführung. Stuttgart Weimar: Metzler 2000; Jutta Heinz (Hg.): Wieland Handbuch. Leben – Werk- Wirkung. Stuttgart Weimar: Metzler 2008
S: Spiegelungen des Totalitären in literarischen Texten aus der Mitte des
20.Jahrhunderts
Di 14-16
Modul: Kulturelle Diskurse; Interkulturelle Deutschlandstudien
Sicherlich haben die Erfahrung und Analyse jener massenhaften, auf Massenvernichtung ausgehenden Gewalt, wie sie von der nationalsozialistischen Herrschaft einerseits, dem Stalinismus andererseits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgingen, nicht nur die Theorie und die Vorstellungskraft des einzelnen Menschen bei weitem überfordert. Sowohl für die Zeitgenossen als auch noch lange Zeit für die späteren stellte sich die Frage, ob sich hier eine Seite des Menschlichen zeige, die bislang von Schüben der Zivilisierung nicht nur verdeckt und überformt wurde, sondern in welchem Maße sich gerade die mit der Zivilisierung verbundenen Fortschritte der Technik, der Kommunikations- und Rationalisierungsformen, nicht zuletzt die Möglichkeiten der Menschenführung, der Manipulation und Verführung zu Verrat und Massenmord auch dazu nutzen lassen könnten, einen „neuen Menschen“, nun freilich als „Instrument für alles“ zu schaffen. In diesem Sinne treffen in der Beschreibung totalitärer Gewalt Elemente der Utopie, Heilserwartungen und maßlose Zwangsvorstellungen, mit solchen der Kritik und Reflexion unmittelbar aufeinander und es nimmt nicht wunder, dass sich neben Ansatzpunkten theoretischer Erkenntnis eine Fülle von literarisch künstlerischen Versuchen findet, die drauf zielen diese Erfahrung aufzunehmen, zu deuten und zu vermitteln, ein Versuch, der freilich angesichts der mit diesen Erfahrungen in den Blick tretenden Monstrosität der Handlungen, Ereignisse und Zielvorgaben auch die Integrität des literarischen Werkes anzufressen vermag, zumindest dazu zwingt, auch diese in Frage zu stellen, nach entsprechenden Formen zu suchen. Angesichts der Fülle der hier zu vorhandenen Werke, kann das Seminar nur eine kleine Auswahl bieten, deren genauere Bestimmung mit den TeilnehmerInnen des Seminars noch festzulegen ist. Zur Auswahl stehen dabei Artur Koestler: Sonnenfinsternis (Darkness at Noon, 1940), Manès Sperber: Wie eine Träne im Ozean (1961), Tadeusz Borowski: Bei uns in Auschwitz (U nas w Auschwitzu, 1946), Czesław Miłosz: Verführtes Denken (Zniewolony umysl, 1953), Aleksander Wat: Jenseits von Wahrheit und Lüge. Mein Jahrhundert (Mȯj wiek, 1977) und George Orwell; Anmal Farm (1945); auch werden wir uns mit dem Film „Die Sonne, die uns täuscht“ (Burnt by the Sun) von Nikita Sergejewitsch Michalkow (1994) beschäftigen.
Literatur zur Einführung: Arthur Koestler u. a.: Ein Gott, der keiner war [1950]. München: dtv 1962; Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Amsterdam 1947; Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft [1951]. München 1986,
Eric Hoffer: Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers [1951]. Hamburg Rowohlt 1965; Herbert J. Spiro, Totalitarianism, in: International Encyclopedia of the Social Sciences, hrsg. von David L. Sills. Vol. 16, Glencoe Ill.: The Free Press 1968, S. 107-113; Leonard B. Shapiro, Totalitarismus, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie Bd. VI, Freiburg Basel Wien: Herder 1972, Sp. 465-490; Wolfgang Sofsky: Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager. Frankfurt a. M.: Fischer 1993; Wolfgang Wippermann, Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, Darmstadt: Primus 1997.
Jan Philipp Reemtsma: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne. Hamburg: Hamburger Edition 2008; Orlando Figes: Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland. Berlin: Berlin Verlag 2008; Karl Schlögel: Terror und Traum. Moskau. München Wien: Hanser 1937.
Forschungskolloquium: „Zwischenweltenschreiben“. Literatur und Migration II (mit Prof. Dr. Angela Richter)
Di 16-18 Dachritzstraße R 213
(Modul: Forschungskolloquium)
Das Kolloquium nimmt den Faden aus dem Sommersemester 2011 wieder auf, setzt aber die Teilnahme am ersten Kolloquium nicht voraus. Diesmal stehen literarische Texte, Filme und andere künstlerische Ausarbeitungen des Themas im Zentrum der Arbeit. Eine genaue Liste der zur Sprache kommenden Texte wird in der ersten Sitzung des Kolloquiums mit den TeilnehmerInnen festgelegt und wie immer, bei einem Forschungskolloquium besonders, sind dazu Vorschläge seitens der Studierenden willkommen. Ausgangspunkt soll die frühe Textsammlung von Christian Schaffernicht (Hg). Zuhause in der Fremde. Ein bundesdeutsches Ausländer-Lesebuch. Fischerhude: Verlag Atelier im Bauernhaus 1981 sein; ferner werden Gary Shteyngart: The Russian Debutant’s Handbook (2002; dt. 2003), Zafer Senocak: Gefährliche Verwandtschaft. Roman. München: Babel 1998 und Aleksandar Hemon: Nowhere Man. München: Knaus 2003 zur Lektüre vorgeschlagen.
Literatur zur Einführung: Ottmar Ette: ÜberLebenswissen 1: Die Aufgaben der Philologie. Berlin: Kadmos 2004; ders.: ÜberLebenswissen 2: ZwischenWeltenSchreiben. Literaturen ohne festen Wohnsitz. Berlin: Kadmos 2005; Projekt Migration. Kölnischer Kunstverein. Köln: DuMont 2005; Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Literatur und Migration. München: Edition Text und Kritik. 2006; Helmut Schmitz (Hg.): Von der nationalen zur internationalen Literatur. Transkulturelle deutschsprachige Literatur und Kultur im Zeitalter globaler Migration. Amsterdam: Rodopi 2009; Immacolata Amodeo, Heidrun Hörner (Hg.): Zu Hause in der Welt : Topografien einer grenzüberschreitenden Literatur, Sulzbach/Ts.: Helmer 2010.
Kolloquium für Examenskandidaten und Doktoranden: O. u. Z. n. V.
Sprechstunde in der Vorlesungszeit: Mi 12-13